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Rezensionen > Osterkamp/Polaschegg/Schütz (Hrsg.): Wilhelm Hauff

Rehabilitation der Virtuosität
Zur neuen Studie "Wilhelm Hauff oder Die Virtuosit�t der Einbildungskraft"

Ernst Osterkamp / Andrea Polaschegg / Erhard Sch�tz (Hrsg. - In Verbindung mit der Deutschen Schillergesellschaft):
Wilhelm Hauff oder Die Virtuosit�t der Einbildungskraft.
Göttingen: Wallstein Verlag 2005. - ISBN 3-89244-860-4
384 Seiten, 24 Abbildungen. - EURO 38,00


Wilhelm Hauff geh�rt sicherlich zu den stark untersch�tzten Autoren des 19. Jahrhunderts: ein Fall f�r Liebhaber, als deutsche Antwort auf 1001 Nacht bestenfalls ein kurzweiliger, aber letztlich harmloser M�rchenonkel, ein erfolgss�chtiger, auf gesellschaftliche Anerkennung dr�ngender Modeschriftsteller, der sich konsequent am Publikumsgeschmack sowie den Erfordernissen des Marktes orientiert habe, talentiert, aber durch den fr�hen Tod im Alter von 25 Jahren nicht zu poetischer Reife gelangt, insgesamt als �bergangsautor zwischen Romantik und Realismus epigonal und eklektizistisch - die einschl�gigen Urteile �ber Hauffs literarisches Schaffen sind Legion, was nicht zuletzt daran liegt, dass sie h�ufig ungepr�ft �bernommen und tradiert wurden und dass es bis heute keine durchg�ngige, systematische Hauff-Forschung gibt. In der Literaturwissenschaft f�hrt Hauffs Werk ein Schattendasein. Nur wenige Forscher widmeten sich dem viel Geschm�hten und das auch nur punktuell, weshalb "nicht ernsthaft von der Existenz einer Hauff-Forschung gesprochen werden kann" (S. 10), wie Andrea Polaschegg in dem j�ngst von Ernst Osterkamp, Erhard Sch�tz und ihr herausgegebenen Forschungsband "Wilhelm Hauff oder Die Virtuosit�t der Einbildungskraft" zutreffend bilanziert.

Dieses Buch vereint zahlreiche �u�erst lesenswerte Beitr�ge zu verschiedenen Aspekten des Hauffschen Werkes wie zu einzelnen seiner Texte. Weit davon entfernt, bisherige Bewertungsstereotypien zu tradieren, wartet der Band mit einer F�lle �berzeugender Deutungsans�tze auf, die wegen ihrer analytischen Stringenz, ihrer stilistischen Klarheit und ihrer Integration aktueller Forschungsdiskussionen �berzeugen. Zwei Beispiele: Peter von Matt beispielsweise weist in seinem Beitrag "Wilhelm Hauff oder Der Weg in die Klarheit" im Gegensatz zu den g�ngigen Urteilen �ber Hauff den "Zusammenfall von Einfachheit in der Gestalt und Komplexit�t in der Bedeutung" (S. 22) als hohen �sthetischen Wert aus. Argumentativ st�tzt er seine Schlussfolgerungen auf einen Vergleich zwischen E.T.A. Hoffmann und Hauff. In Hauffs M�rchen zeigt er die Abkehr von der romantischen Himmelsleiterpoetik und den Entwurf einer neuen Klarheit, die poetologisch keinen Zweifel daran l�sst, dass es ihr konkret um die immanenten Verh�ltnisse geht. Matt demonstriert, dass Hauffs M�rchen keineswegs nur oberfl�chliche, epigonale Ausl�ufer gro�er k�nstlerischer Vorbilder sind, sondern Boten realistischer Erz�hlverfahren, was in Claudia Stockingers Beitrag "Verkehrungen der Romantik" untermauert wird.

Auf durchaus moderne Z�ge in Hauffs Erz�hlen weist auch G�nter Oesterles Aufsatz "Wiederkehr des Virtuosen?" hin, der zuerst Hauffs Marktorientierung als Selbstbehauptungsstrategie eines jungen, zun�chst sehr unbekannten Autors verteidigt, um daraufhin "hinter den Marktstrategien Hauffs ein literatur�sthetisches, ja sogar literaturpolitisches Konzept" (S. 85) zu orten. Ein solches Konzept sp�rt Oesterle in Hauffs Anlehnung an die interkulturelle Ausrichtung der 1824 in Paris gegr�ndeten, liberalen Zeitschrift "Le Globe" auf. Diese beabsichtigte, die Literatur verschiedener L�nder im Sinne eines 'geistigen Handelsverkehrs', wie es Goethe ausdr�ckte, zu vermitteln und zu verbreiten. Mit den subtil aufgearbeiteten Bezugspunkten zwischen dem Programm des "Globe" und Hauffs Vorstellungen gelingt es Oesterle glaubhaft, Hauffs literarische Praxis vor der Generalanklage eines wahllosen, beliebigen Eklektizismus literarischer Traditionen und Tendenzen zu verteidigen.

Insgesamt bietet der Band eine gelungene, fundierte, stellenweise mit kriminologischem Scharfsinn erstellte, �berf�llige Demontage �berkommener Vor- und Fehlurteile der Hauff-Forschung, so sie den �berhaupt stattgefunden hat. Gleichwohl ist er nicht nur f�r an Hauff Interessierte von gro�em Interesse; er setzt auch wichtige Akzente in der weiteren Erforschung der Epoche.

Benedikt Descourvières

© TourLiteratur / Autor
Alle Rechte vorbehalten

Buchcover: © Wallstein Verlag, Göttingen

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