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Special: Rezensionsprojekt Winnweiler (2005) > Rezensionen > Indridason, Arnaldur: Todeshauch

Copyright: Bastei LübbeIsländisches Trauerspiel
Arnaldur Indridasons neuester Roman

Arnaldur Indridason: Todeshauch. Island Krimi.
Aus dem Isl�ndischen von Coletta B�rling.
Bergisch-Gladbach: Bastei L�bbe 2004
ISBN 3-404-15103-8
364 Seiten. EURO 7,90

Viele handeln ihn schon als den neuen Henning Mankell. "Kann man sich dieser Meinung anschlie�en?", haben wir uns gefragt, als wir von dem zweifachen Gewinner des Nordischen Krimipreises Arnaldur Indridason geh�rt haben. Wie auch schon "Nordermoor" handelt "Todeshauch" von dem grimmigen Kommissar Erlendur, der mit seinen zwei Kollegen von der Kripo Reykjavik einen weiteren kniffligen Mordfall zu l�sen hat. Der Autor Arnaldur Indridason, Jahrgang 1961, geh�rt sp�testens seit der Erscheinung von "Nordermoor" (2000) zu Islands bedeutendsten Krimi-Autoren. Indridason hat, wie alle Isl�nder, eine Vorliebe f�r die Mystik und die Geschichte seines Landes, diese �bertr�gt er auch auf seinen Kommissar Erlendur.

Auf einem Kindergeburtstag f�llt die Aufmerksamkeit eines jungen Medizinstudenten auf einen menschlichen Knochen, mit dem ein Baby unverdrossen spielt. Der Knochen f�hrt die Geburtstagsgesellschaft zu einem Skelett, das in der kargen Ein�de Islands vergraben liegt. Nun stellt sich die Frage: Wie kommt dieses an so einen verlassen Ort und - was noch wichtiger ist - wieso? Dies wird erst einmal nicht beantwortet, sondern ein weiterer Handlungsstrang eingef�hrt, indem zum ersten Mal ein R�ckgriff in die Vergangenheit stattfindet. Es wird von einer Frau berichtet, die mit ihrem brutalen Ehemann und ihrer Tochter zusammenlebt. Die Tochter Mikkel�na stammt aus einer fr�heren, gl�cklicheren Beziehung zu einem Seemann, der jedoch auf dem Meer umgekommen ist.

Zun�chst einmal wollen wir auf diesen Teil der Geschichte eingehen: Da ihre beiden Fluchtversuche scheitern, bleibt die Frau bei Gr�mur, ihrem Mann, trotz des andauernden Terrors. Ihre Tochter ist nach einer Hirnhautentz�ndung teils gel�hmt, was zu brutalen H�nseleien des Vaters f�hrt. Obwohl Mikkel�na zwei Br�der bekommt und die Familie aufs Land zieht, �ndert Gr�mur sein Verhalten nicht. Doch nachdem er ins Gef�ngnis muss, da er die nah bei seinem Wohnort angesiedelte Milit�rbasis bestohlen hat, verbessert sich die Situation im Haus. Als sich die Mutter dann noch mit einem ans�ssigen Soldaten anfreundet, scheint das Gl�ck perfekt.

Im gesamten Romanverlauf wechselt Indridason zwischen der in der Vergangenheit liegenden Handlung (um 1940) und den gegenw�rtigen Ermittlungen. Mit den Nachforschungen an dem Mordfall werden Kommissar Erlendur, Sigurdur �li und El�nborg beauftragt, die ein Geologenteam anweisen, den Toten auszugraben. Im Verlauf der ersten Untersuchungen st��t das Ermittlungsteam auf Benjam�n Knudsen, einen ehemaligen Sommerhausbesitzer. Das Geb�ude hat fr�her einmal auf einem H�gel in der N�he der Leichenfundstelle bei drei Johannisbeerstr�uchern gestanden, welche Erlendur schon vorher bemerkt hatte. Diese Spur f�hrt sie zu Elsa, der einzigen noch lebenden Verwandten von Knudsen, die den Beamten die Trag�die von Benjam�ns Verlobter erz�hlt. Die Vermutung kommt auf, dass diese Verlobte, die ein Kind erwartete, nicht, wie man berichtet, ins Meer gegangen, sondern von ihrem Mann umgebracht und auf dem H�gel vergraben worden sei. Dieser Hinweis wird im weiteren Verlauf des Romans noch von gr��erer Bedeutung sein.

Durch einen Tipp gelangen die Ermittler zu einem alten Mann, der fr�her einmal in der N�he des Sommerhauses gewohnt hat. Eine "gr�n gekleidete, schiefe Frau" ist das einzige, woran er sich noch erinnert. Die Aufmerksamkeit des Kommissars richtet sich auch auf die Tatsache, dass w�hrend des Zweiten Weltkrieges britische sowie amerikanische Soldaten auf Island stationiert waren, also auch diese m�glicherweise in den Mordfall verwickelt sein k�nnten. Das Arch�ologenteam kommt, um die Leiche und somit auch alle Spuren bestm�glich zu erhalten, mit den Ausgrabungen nur schleppend voran. Als sie endlich die gesamten Knochen freigelegt haben, finden sie nicht nur das Gerippe eines Erwachsenen, sondern auch das eines Babys. Ist Benjam�ns Verlobte doch nicht ins Meer gegangen?

Arnaldur Indridason verleiht einen kleinen Einblick in die isl�ndische Kultur mit all ihren Mythen und Geschichten. So l�sst uns der Autor an dem Schicksal einer Frau teilhaben, deren letzter Weg ins Meer gef�hrt haben soll. Au�erdem ist positiv aufgefallen, dass das in Island �bliche "Du" bei der direkten Anrede auch in der deutschen �bersetzung beibehalten worden ist. Sprachlich gewandt vereinbart der Autor die Elemente eines Kriminalromans mit einer bewegenden Familientrag�die. Indridason beschreibt eindringlich die physische und vor allem auch die psychische Gewalt, die der Mann seiner Ehefrau antut. Durch die packende Schreibweise f�hlt der Leser sich mit dem Martyrium der terrorisierten Frau verbunden.

Die Charaktere, insbesondere die des Kriminalteils, sind facettenreich und gut entwickelt. Gerade der verbitterte Kommissar Erlendur repr�sentiert den typischen Isl�nder, der von dieser Ein�de gepr�gt worden ist. Doch die beiden parallel verlaufenden Handlungsstr�nge bringen auch Nachteile mit sich, da die zwei Erz�hlungen fast ohne erkennbare Trennungen ineinander �bergehen. Leider muss man feststellen, dass die um 1940 spielende Handlung wenig zum Spannungsaufbau der Kriminalgeschichte, die eigentlich im Vordergrund stehen sollte, beitr�gt. Durch diese Eindr�cke aus der Vergangenheit werden zu viele Hinweise auf den m�glichen Tathergang des Mordes geliefert. Somit hat der Roman an Spannung eingeb��t, da man bald den weiteren Verlauf vorhersehen kann.

Abgesehen von dem R�ckblick werden in "Todeshauch" noch weitere Nebenhandlungen eingef�hrt, wie zum Beispiel die Einblicke in das Leben von Erlendurs drogenabh�ngiger Tochter, die auf melodramatischer Ebene die Gef�hle des Lesers ansprechen, und auch die privaten Probleme eines Kriminalkommissars offen legen. Vor allem ist es bemerkenswert, wie Arnaldur Indridason es versteht, aktuelle Themen aufzugreifen: Vor allem geht er in seiner Novelle auf die heutzutage immer noch pr�sente Gewalt im famili�ren Umfeld ein, wie auch auf die allgegenw�rtigen Drogenprobleme Jugendlicher.

Prinzipiell ist der Roman Freunden der isl�ndischen Kultur zu empfehlen, allerdings wird "Todeshauch" wohl kaum den Geschmack eines Krimifans treffen.

Janina Czas, Kristina Haberer

© TourLiteratur / Autorinnen
Alle Rechte vorbehalten
Buchcover: © Bastei Lübe, Bergisch-Gladbach

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