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Special: Rezensionsprojekt Winnweiler (2008) > Rezensionen > Grisham, John: Der Gefangene

Ein Justizirrtum mit Folgen
John Grishams Roman "Der Gefangene"

John Grisham: Der Gefangene.
Aus dem Englischen von Bernhard Liesen, Bea Reiter, Kristina Ruhl und Imke Walsh-Araya.
München: Wilhelm Heyne Verlag 2006
ISBN 978-3-453-81174-4
464 Seiten. EURO 9,95


Ada, eine idyllische Kleinstadt im Staat Oklahoma: Die sechzehntausend Einwohnerstadt ist durch frühere Ölvorkommen reich geworden. In der Stadt gibt es unzählige Kirchen und viele verschiedene Religionsgruppen. Trotz zahlreicher Diskotheken und Kneipen vor Ort ist Ada bisher ein unbeschriebenes Blatt geblieben, was Kriminalfälle angeht. Dies ändert sich schlagartig, als zwei junge Frauen ermordet aufgefunden werden. Durch korrupte und falsche Polizeiarbeit wird Unschuldigen die Freiheit geraubt. Es steht ein großer Justizirrtum bevor. Diese Geschichte basiert auf einem wahren Hintergrund: Am 7. Dezember 1982 findet man eine junge Frau tot in ihrer Wohnung. Das Opfer ist Debbie Carter, die brutal vergewaltigt und anschließend ermordet wurde.

Die Detektive Smith und Rogers nehmen die Ermittlung auf. Als Verdächtiger gilt trotz mangelnder Beweise Ron Williamson. Ron, der Sohn von Roy und Juanita, war einst ein sehr begabter Baseballspieler, der kurz vor dem Sprung in die Profiliga stand, doch wegen einer Verletzung und fehlender Disziplin letztlich scheiterte. Alkohol, Drogen und junge Frauen bestimmten fortan seinen Alltag. Durch den Tod seines Vaters verschlimmert sich die Situation und er leidet an Depressionen, die medikamentös behandelt werden müssen. Zu dieser Zeit steht er zweimal wegen angeblicher Vergewaltigung vor Gericht und fällt durch kleinere Delikte auf. Glen Gore, ein Gast im "Coachlight", in dem Debbie am fraglichen Abend zuletzt gesehen worden war, ist ein wichtiger Zeuge. Er sagt aus, dass Ron an jenem Abend in dieser Disco war. Er sei aufgefallen, da er Debbie auf der Tanzfläche belästigte. Doch konnte man aus Mangel an Beweisen keine Anklage erheben.

Nach vier Jahren ist der Fall Debbie Carter immer noch nicht geklärt. Zu dieser Zeit muss Ron einen weiteren Schicksalsschlag verkraften: seine geliebte Mutter stirbt an Krebs. Diese hat vor ihrem Tod Ron durch ihre Aussage bei der Polizei ein Alibi gegeben. Die Aussage wird jedoch bei der Polizei nicht weiter berücksichtigt. Stattdessen nehmen sie die Untersuchungen wieder auf, da sie weiterhin von Rons Schuld überzeugt sind. Durch Manipulation der Indizien, ausgeführt von Staatsanwalt Peterson persönlich, erhält die Polizei belastende Beweise. Diese reichen nun aus, um Ron vor Gericht zu bringen. Um an ihrer Darstellung festzuhalten, dass ein Mann diese schreckliche Tat nicht alleine begangen haben kann, nimmt sich die Polizei den Freundeskreis von Ron vor und kommt zu dem Entschluss, dass Dennis Fritz sein Komplize gewesen sein musste. Ohne wirkliche Beweise wird auch Dennis nun wegen Vergewaltigung und Mord angeklagt.

Schon die Voruntersuchungen dauern ein Jahr; Ron sitzt im Gefängnis und wird psychisch immer labiler. Zuerst kommt Dennis Fritz auf die Anklagebank. Da die Staatsanwaltschaft gegen ihn nichts in der Hand hat, werden die Zeugen mehr über Ron ausgefragt als über Dennis selbst. Um Fritz jedoch als Mittäter zu verurteilen, greift die Polizei von Ada zu ungewöhnlichen Mitteln. Indem sie anderen Gefangenen eine Verkürzung ihrer Haft anbieten, sollen diese im Gegenzug als Spitzel im Gefängnis arbeiten. Vor Gericht sollen sie aussagen, dass ihnen Fritz oder Ron Williamson den Mord an Debbie Carter gestanden haben. Die Staatsanwaltschaft will so die Geschworenen beeinflussen.

Diese sind auf Grund der Spekulationen der Zeitungen und der Vorgeschichte von Ron und Dennis nicht neutral und gehen mit Vorurteilen in die Verhandlungen. Mit dem bekannten und vertrauenswürdigen Sachverständigen Melvin Hett hat die Staatsanwaltschaft ihren wichtigsten Zeugen am Ende der Verhandlungen. Dieser ist Haaranalytiker; er kommt zum Ergebnis, dass mehrere Haarproben mit denen von Fritz übereinstimmen. Diese Aussage beeindruckt die Geschworenen am meisten, obwohl zu dieser Zeit Haaranalysen noch das reine Glücksspiel sind und sich vier von fünf Fällen als falsch erweisen. So wird Dennis Fritz, ohne einen fairen Prozess, zu lebenslanger Haft verurteilt. Aus Sicht von Peterson ist der Prozess von Ron nur noch Formsache. Mit dem neuen Handabdruck, entstanden durch bewusste Manipulation von Beweisen, hat die Staatsanwaltschaft den entscheidenden Beweis, um Ron als Täter verurteilen zu lassen. So kommt es dann auch, dass Ron erst gar keine Chance hat, die Geschworenen von seiner Unschuld zu überzeugen, da diese durch die Verurteilung von Fritz schon vor dem Prozess von Rons Schuld überzeugt sind. Ron wird 1988 zum Tode verurteilt und in ein Staatsgefängnis von Oklahoma gebracht.

Am 30. August 1994 bekommt Ron die Nachricht, dass er in knapp einem Monat hingerichtet werden soll. Ob dies geschieht oder ob er doch einen fairen Prozess bekommt, soll an dieser Stelle nicht verraten werden.

Der Autor John Grisham wurde am 8. Februar 1955 in Jonesboro, Arkansas, geboren. Er studierte in Mississippi und ließ sich 1981 als Anwalt nieder. Er ist bekannt für seine Justizthriller und Kriminalromane. Weitere bekannte und erfolgreiche Romane sind "Die Jury", "Die Akte" und "Die Firma". Seine Bestseller, wie zum Beispiel "Die Firma", wurden auch verfilmt. Bei den Neueren, wie auch "Der Gefangene", ist dies in Planung.

Am Anfang dieses Buches sind die Handlung und der Tathergang gut und detailliert beschrieben. Dieser Schreibstil erweckt die Aufmerksamkeit und den Drang nach mehr, man kann also flüssig lesen. Doch nach einer Zeit verflacht dieses Niveau leider, denn es kommen viele Rückblicke, auch uninteressante, die die Vergangenheit der Personen beleuchten sollen. Dazu kommt die Phase vor dem Prozess. Ron trinkt, hat Affären mit Frauen, stellt irgendetwas an, kommt vor Gericht bzw. ins Gefängnis und kommt wieder frei. Das wiederholt sich immer wieder und so verliert man die Lust zu lesen. Aber diese Art des Schreibens verwendet Grisham, um den wirklichen Hergang der Handlungen so real wie möglich zu beschreiben. Diese Geschichte soll zeigen, wie unbeholfen und korrupt manche Polizisten sind, dass sie nur aus Eitelkeit und Sturheit nicht an die Unschuld eines verwahrlosten und heruntergekommenen Mannes mit psychischen Problemen glauben. Derart schlechte Bedingungen für unschuldige Verdächtige bzw. nur durch Gerüchte Verurteilte darf es in einem Rechtsstaat wie den USA eigentlich nicht geben. Das Buch ist, aus unserer Sicht, etwas langatmig geraten. Dies ist von John Grisham jedoch gewollt, um die Verzwicktheit und die Undurchschaubarkeit des Falles und damit des amerikanischen Rechtssystems besser darzustellen. Abschließend möchten wir sagen, dass wir das Buch dennoch gut finden. Für alle Grisham-Fans ist es ohnehin ein Muss.

 

Christoph Wasem, Andreas Wasem

© TourLiteratur / Autoren
Alle Rechte vorbehalten
Buchcover: © Wilhelm Heyne Verlag, München

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