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Rezensionen
> Leino, Marko: In der Falle

"Alles wird gut. Für immer ..."
Marko Leinos Roman "In der Falle"

Die Finnen haben aufgeholt. Standen sie, was das Ansehen ihrer Kriminalromane hierzulande betrifft, noch vor ein paar Jahren ziemlich deutlich im Schatten ihrer nordischen Mitbewerber um unsere Lesergunst - vor allem natürlich der Schweden -, sind Namen wie Leena Lehtolainen, Ilkka Remes, Taavi Soininvaara, Matti Rönkä oder Harri Nykänen inzwischen auch auf dem deutschen Buchmarkt zu Garanten für spannungsvolle europäische Thrillerliteratur geworden. Mit Marko Leino kommt nun ein weiterer Autor hinzu, den man sich wird merken müssen. Mit seinem Roman "In der Falle" gelang es dem heute 44-Jährigen endgültig, sich - nach großen Erfolgen mit Drehbüchern sowie Romanen und Geschichten für Kinder - auch auf dem Gebiet der Spannungsliteratur einen Namen zu machen. Das Buch wurde 2010 mit dem "Clue of the Year", dem bedeutendsten finnischen Krimipreis, ausgezeichnet und es würde mich wirklich sehr wundern, wenn wir nicht in absehbarer Zeit auch seine Verfilmung erleben könnten.

"In der Falle" hat alles, was ein guter Krimi braucht: einen spannenden Plot, interessante Protagonisten, reichlich Action und eine Sprache - an dieser Stelle gilt es wohl auch, die Übersetzerin Anu Pyykönen-Stohner lobend zu erwähnen -, die einen vom ersten Satz an in den Roman hineinzieht und an keiner Stelle die sattsam aus Kriminalromanen bekannten Klischees bemüht. Schon der als "Präludium" daherkommende Prolog, in dem uns fünf Figuren vorgestellt werden, deren Weg wir anschließend über einen Zeitraum von einem knappen halben Jahr begleiten dürfen, spielt mit unterschiedlichen Perspektiven und variiert auf wahrhaft musikalische Weise das Thema einer Lebenswende zum Besseren. Das ist literarisch ganz wunderbar gelungen und zugleich zutiefst ironisch, denn der Leser spürt natürlich sofort, dass diesem fünfmaligen hoffnungsvollen "Alles wird gut" gar nichts anderes folgen kann als der endgültige Absturz.

Kleinkriminelle, die endlich einmal das ganz große Ding durchziehen wollen, korrupte Polizisten, denen bei allem, was sie tun, ihre unrühmliche Vergangenheit im Wege steht, Familien, in denen Gewalt und Verachtung die Liebe verdrängt haben - die Welt, in die uns Leinos Roman mitnimmt, ist dunkel. Hier wird getrunken bis zur Besinnungslosigkeit, Menschenleben zählen wenig, und die, die einander nahestehen und sich gegenseitig stützen sollten, begegnen sich mit Missstrauen und Hass, belügen und betrügen einander, bis es zu spät ist zur Umkehr.

Viitasalo ist so einer. Eigentlich will der Drogenpolizist nur seine kleine, dreiköpfige Familie durch die Krisenzeiten, die Ende 2008 auch die finnische Gesellschaft zu erschüttern beginnen, bringen. Aber sein schmaler Verdienst reicht nicht hinten und nicht vorn. Letztlich kann er den Verlockungen des schnellen Geldes nicht widerstehen, das winkt, wenn er ab und an einmal ein Auge zudrückt. Dass er sich damit den Mächten, gegen die zu kämpfen er eigentlich angetreten ist, vollkommen ausliefert, begreift er erst, als es zu spät ist und er mehr verloren hat als die kleinen materiellen Annehmlichkeiten des Lebens. Oder der achtzehnjährige Vesa Levola, vielleicht die berührendste Gestalt des Romans. Während er von einer rosigen Zukunft mit dem Mädchen, das er liebt, träumt, schlittert er unaufhaltsam in eine kriminelle Karriere. Damit zerstört er schließlich nicht nur seine Liebe, sondern auch die Achtung vor sich selbst.

Doch der Roman bleibt in den Niederungen des Verbrechens nicht stehen. Er lädt auch ein in die Villen jener, die von Russland aus mit afghanischem Heroin den europäischen Drogenmarkt zu überschwemmen gedenken. Auf der Suche nach neuen Transportwegen durch Finnland hindurch bedient man sich all der Viitasalos und Levolas nur, um sie nach getaner Arbeit als unliebsame Zeugen eiskalt abzuservieren. Aber auch untereinander kennen die Bosse kein Erbarmen. Obwohl die Gewinne so kräftig zu sprudeln versprechen, dass sie eigentlich für alle ausreichen sollten, ist die große Siegerin am Ende die Gier. Sie hetzt die einen gegen die anderen, erfindet immer wieder neue Wege des Betrugs, bis man sich schließlich in der Falle wiederfindet, die man selbst für andere errichtet hat.

Marko Leinos Roman hat tragische wie humorvolle Seiten, erinnert ein bisschen an Quentin Tarantino, ein bisschen an Aki Kaurismäki. Literarisch ist er so manchem Schweden, Dänen oder Norweger haushoch überlegen. Frei ist von den Figuren, die er vorführt, keine einzige. Sie alle zappeln in den Eisen ihres Lebens - und was man für Hoffnung hält, erweist sich immer wieder als Trug.

Dietmar Jacobsen

© TourLiteratur / Autor
Alle Rechte vorbehalten

Buchcover: © Paul Zsolnay Verlag, Wien





Das Buch

Marko Leino:
In der Falle. Roman.
Aus dem Finnischen von Anu Pyykönen- Stohner.
Wien: Paul Zsolnay Verlag 2012.
ISBN 978-3-552-05563-6
446 Seiten - EURO 19,90

Zum Autor
Marko Leino, Jahrgang 1967, geboren in Helsinki, ist Schriftsteller und Drehbuchautor. Bekannt wurde er mit dem Roman "Wunder einer Winternacht" - die Verfilmung wurde zum größten finnischen Kinoerfolg aller Zeiten. Sein Buch "In der Falle" wurde im Jahr 2010 mit dem finnischen Krimipreis "Clue of the Year" ausgezeichnet.

Links zum Autor
Marko Leino bei Wikipedia (finn.)
Marko Leino bei "Krimi-Couch"

Der Rezensent
Dietmar Jacobsen, geboren 1953, Dr. phil., Literaturkritiker, Lektor, Korrektor, Dozent. Lebt und arbeitet in Erfurt.
Zur Website von Dietmar Jacobson

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