Rezensionen > Wieninger, Manfred: Prinzessin Rauschkind |
"Wenn der Mensch nur keine solche Sau wär‘ ..." Mit McDonalds ging alles los. Danach trug man sein Haupthaar zu McCut, bezog die Sehhilfe von McOp und holte die Semmel bei McBäck. Warum also kein McDet? Kein Diskont-Detektiv? Diese Frage ist natürlich rein rhetorisch - irgendwie müssen Buchbesprechungen ja in die Puschen kommen. Denn es gibt ihn längst, den Schnüffler zu herabgesetzten Preisen. Marek Miert ist sein Name und im niederösterreichischen Harland treibt er sich für gewöhnlich herum. Immer kurz vor der Pleite, aber dank Mozartkugeln, Manner-Schnitten und einem guten Roten relativ unerschütterlich. In "Prinzessin Rauschkind" fungiert er schon zum sechsten Mal als Ermittler. Und Manfred Wieninger, sein Erfinder, hat wieder alles aufgefahren, was Marek-Miert-Romane so unverwechselbar macht: einen Fall, der erst nach und nach zum Fall wird, ein um den roten (Erzähl-) Faden - man muss sich anstrengen wie Theseus, um den nicht aus den Augen zu verlieren - herummäanderndes Handlungsgeflecht, skurrile Figuren en masse, ein außerordentlich feines Empfinden für Fremdenfeindlichkeit und latenten Faschismus in seiner Heimat und eine Sprache, wie man sie heutzutage halt nur im austriakischen Krimi findet. Für die zuletzt angesprochene Qualität bürgte über Jahre hinweg Wolf Haas. Aber der ist inzwischen auch mehr Selbstläufer denn Innovator. Wieninger sollte also ganz beruhigt schlafen können. Sein übergewichtiger Held freilich kann sich diesen Luxus nicht erlauben. Erst halten Zahnprobleme den Mann auf Trab. Dann beansprucht ein verschwundener Ungar seine Aufmerksamkeit, den ihm die Zahnarzthelferin ans Herz gelegt hat, weil er an ihrem nicht mehr liegt, aber dicht darunter ein über neun Monate langsam heranwachsendes Problem zurückgelassen hat. Und schließlich terrorisiert Miert auch noch - inkompetent und uneingeweiht in die Feinheiten des Harlander Soziotops wie immer - die örtliche Polizei in persona von Oberleutnant Gabloner. Von einem tonnenschweren Müllmann, dessen Wellensittich sich "vertschüsst" hat, und einem pensionierten Taxiunternehmer mit akademischem Titel möchte man am liebsten gar nicht mehr sprechen, muss es aber tun, weil beide Figuren Manfred Wieninger ganz wunderbar gelungen sind. Und dass schließlich in all dem Durcheinander auch noch der Rotlichtkönig von Harland eine Rolle spielt, wundert sicher niemanden mehr, der sich in der Welt des Marek Miert ein wenig auskennt. Zu behaupten, beim Wieninger sei nix los, wird sich nach der Lektüre von "Prinzessin Rauschkind" jedenfalls keiner trauen. Denn der St. Pöltener bringt auf zweihundert Seiten mehr unter als andere aus der Branche auf anderthalb Tausend. Untergliedert in die aus den bisherigen Miert-Romanen bekannten, nicht ausdrücklich als Kapitel bezeichneten und inzwischen auch nicht mehr durchnummerierten Klein- und Kleinstabschnitte, hat der Leser kaum Zeit, es sich auf einem Schauplatz gemütlich zu machen, da wird er schon zum nächsten geschleppt. Und einige dieser wunderbaren Erzählhäppchen sind wahre Perlen, die auch ohne Fassung zu glänzen vermögen. Etwa jene 4 Befragungen von Anwohnern, die dem nächtlichen Abgang des betrügerischen Ungarn Lászlo Zsigmund als Zeugen beigewohnt haben könnten. Niemand von denen weiß wirklich etwas Verwertbares mitzuteilen, aber jeder hat, versteckt hinter seinen Reaktionen, eine ganz eigene Geschichte zu bieten, aus der sich ohne große Anstrengung ein weiterer Roman spinnen ließe. Oder jene Episode, in die der Schriftsteller Wieninger sich selbst hineinfabuliert - denn natürlich ist der inzwischen schon so berühmt, dass auch Marek Miert von ihm gehört haben muss. Am Ende geht übrigens alles gut aus. Jene im Rausch gezeugte, prinzessinnenhaft anmutende junge Frau, die dem Roman zu seinem Titel verholfen hat, verliert zum Glück alle ihre Illusionen und macht sich sogar daran, ihren Ex-Lover mit einem kleinen Käsemesser Demut zu lehren. Dank Miert ist ihrem Kind nicht unbedingt die strahlendste, aber doch eine Zukunft sicher. Und sogar die Polizei darf noch ein klitzekleines bisschen zur Aufklärung der Zusammenhänge beitragen. Nur der gute Kommerzialrat Klaus Sabitzer stirbt - ihm wären wir gerne im nächsten Marek-Miert-Roman wiederbegegnet. Doch auf Wieninger dürfte in Zukunft auch in diesem Punkt Verlass sein: Für einen Sabitzer entschädigt er uns gewiss mit drei, vier anderen Gestalten, die der Fantasie genauso wohltun. Und nun: Lest‘s endlich! Dietmar Jacobsen © TourLiteratur
/ Autor Buchcover: © Haymon Verlag, Innsbruck und Wien |
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