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Rezensionen
> Eckert, Horst: Schwarzer Schwan

Die Welt fährt Achterbahn
Horst Eckerts neuer Thriller "Schwarzer Schwan"

Horst Eckert ist ein Autor, der seine Thriller möglichst dicht an den Realitäten der jeweiligen Zeit ansiedelt. Kein Wunder deshalb, dass nach "Königsallee" (2007) und "Sprengkraft" (2009), jenen beiden Romanen, die neben einer spannenden Handlung auch immer deutlicher politische Hintergründe thematisierten, nun mit Schwarzer Schwan ein Buch erschienen ist, das man als Kommentar zur aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise lesen kann. Doch wenn sich das zunächst auch ein bisschen "trocken" anhören mag - Eckerts Roman ist alles andere als das.

Furios und gekonnt schon die Eröffnung. Und süffisant die Wahl des Helden. Da erhält mit Dominik Roth nämlich ausgerechnet ein Mann seine Chance in der Düsseldorfer Mordkommission, dessen normales Tagewerk es ist, sich mit kleinen Trickbetrügern auseinanderzusetzen. Dass hinter dem Mord an einer Lobbyistin der Deutschen Börse die ganz großen Falschspieler stecken, Bosse aus den Vorstandsetagen der Banken und korrupte, einzig um ihren Aufstieg bekümmerte Politiker nämlich, ahnt der Mann bald. Und unversehens findet er sich in einem Sumpf aus gemeinen Intrigen, gegenseitigen Bespitzelungen und Rufmordkampagnen, in dem man auch vor brutaler Gewalt nicht zurückschreckt, sobald der eigene Vorteil in Gefahr gerät.

Kenntnis- und aufschlussreich ist es, wenn Eckert uns seine Protagonisten näherbringt. Da ist die Bankerin Hanna Kaul, die gerade ihren ersten ganz großen Coup landen will, als sie unvermutet gestoppt wird und bald darauf erkennen muss, dass diejenigen, die in ihrer Bank das Sagen haben, Insiderkenntnisse nutzen, um bedenkenlos in die eigene Tasche zu wirtschaften. Da ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Lothar Mierscheid, einst rebellisch und voller Idealismus, inzwischen längst am Gängelband von Interessengruppen, die - quer durch die Parteien - ihren eigenen Kurs verfolgen. Da ist Paula Busch, Vertreterin der deutschen Börse AG in Berlin, top vernetzt mit allen, die etwas zu sagen haben in der Hauptstadt, eingeweiht in die schmutzigen Geheimnisse der Mächtigen und gerade deshalb nicht mehr zu retten in dem Moment, wo sie aus dem Zirkus aussteigen und reinen Tisch machen will. Und da sind Figuren, die nur ganz am Rande von Eckerts Sittengemälde auftauchen, ehe sie wieder im Dunkel hinter der Bühne verschwinden: der schmierige Zeitungsreporter etwa, für einen guten Tipp zu jeder Schweinerei bereit, zwei Angehörige der so genannten "Generation Praktikum", die die Not zu Kleinkriminellen werden lässt, oder zynische Bullen und Fernsehprominenz, die jenseits ihrer aufklärerischen Auftritte in der Glotze den Betuchten nur allzu willig den Clown macht.

Wo fast jeder Dreck am Stecken hat, nimmt es nicht Wunder, dass auch Ermittler Roth sich bald in einer Zwickmühle befindet. Indem er nämlich für die Detektei eines Ex-Kollegen gelegentlich kleinere Beobachtungsjobs übernimmt, deren Erlös er selbstverständlich nicht versteuert, war er auch beteiligt an der Bespitzelung der Investmentbankerin Johanna Kaul, die eine immer größere Rolle in dem Mordfall Paula Busch, in dem Roth ermittelt, zu spielen scheint. Zugeben kann er das allerdings weder gegenüber den eigenen Kollegen, die dann gezwungen wären, disziplinarisch gegen ihn vorzugehen, noch gegenüber der attraktiven Hanna selbst, in die er sich Hals über Kopf verliebt hat. Als auch noch deren Nichte Leonie spurlos verschwindet und Roth nach und nach klar wird, dass ein gefährlicher Psychopath dabei seine Hand im Spiel hat, bewegt der Polizeibeamte sich immer mehr in der Grauzone zwischen Legalität und Illegalität.

"Schwarzer Schwan" ist ein engagierter Thriller, der den Mitverantwortlichen für die Krisen unserer Tage gnadenlos die Leviten liest. Vielleicht tut er das manchmal etwas zu klischeehaft - aber immer im Sinne der Verdeutlichung wesentlicher Zusammenhängen. Bei der Vielzahl hochbrisanter Verwicklungen, in die er seine Leser hineinzieht, wirkt der Entführungsfall rund um das Mädchen Leonie fast ein wenig aufgesetzt - so als hätte der Autor unterm Strich plötzlich Zweifel gehabt, ob man einen Thriller wirklich ganz allein mit wirtschaftlichen und politischen Skandalen füllen könne. Auch sind jene über den Text verteilten Kapitel, in denen das gekidnapte Mädchen in der Ich-Form über ihr Martyrium berichtet, logisch-kompositorisch nicht immer schlüssig platziert. Aber diese kleinen Schönheitsfehler vergisst man schnell, wenn man kurz darauf wieder auf Szenen stößt wie die, in der die Kanzlerin mit zwei Düsseldorfer Top-Bankern die aktuelle Lage bespricht und schnell klar wird, wie viel Spielraum die Wirtschaft der Politik hierzulande noch übrig lässt.

Dietmar Jacobsen

© TourLiteratur / Autor
Alle Rechte vorbehalten

Buchcover: © GRAFIT Verlag, Dortmund





Das Buch

Horst Eckert:
Schwarzer Schwan. Thriller.
Dortmund: GRAFIT Verlag 2011.
ISBN 978-3-89425-667-8
383 Seiten - EURO 19,99

Zum Autor
Horst Eckert, geboren am 7. Mai 1959 in Weiden (Oberpfalz), Politologie-Studium in Erlangen und Berlin, lebt als freier Schriftsteller in Düsseldorf. Eckerts Debütroman "Annas Erbe" erschien 1995 bei GRAFIT. Seine Geschichten und Romane wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Marlowe-Preis der Raymond-Chandler-Gesellschaft (1998) und dem Friedrich-Glauser-Preis des Jahres 2001.

Links zum Autor
Homepage von Horst Eckert
Horst Eckert bei "Krimi-Couch"
Horst Eckert im "Krimilexikon"

Der Rezensent
Dietmar Jacobsen, geboren 1953, Dr. phil., Literaturkritiker, Lektor, Korrektor, Dozent. Lebt und arbeitet in Erfurt.
Zur Website von Dietmar Jacobson

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