Raoul
Schrott
Raoul
Schrott wurde am 17. Januar 1964 in Landeck (Tirol) geboren. Aufgewachsen
ist er in Tunis. Nach seinem Studium der Sprach- und Literaturwissenschaft
in Norwich, Paris, Innsbruck und Berlin war er für kurze Zeit als
Privatsekretär des berühmten Surrealisten Philippe Soupault
tätig. 1988 promovierte er zum Dr. phil. mit einer Arbeit üer
den Dadaismus. Von 1990 bis 1993 arbeitete Schrott als Universitätslektor
für das Fach Germanistik am "Istituto Orientale" in Neapel.
Danach habilitierte er sich am Institut für Vergleichende Literaturwissenschaft
der Universität Innsbruck.
Schrott, der zu den bedeutendsten deutschsprachigen Gegenwartsautoren
zählt, hat sich einen Namen als Herausgeber, Lyriker, Romanautor,
Übersetzer und als Essayist gemacht. Zu seinen wichtigsten Werken
gehören die Romane "Finis Terrae" (1995) und "Tristan
da Cunha" (2003), die Novelle "Die Wüste Lop Nor"
(2000), die Erzählung "Khamsin" (2002), die Gedichtbände
"Hotels" (1997) und "Tropen. Über das Erhabene"
(1998) sowie die Nachdichtung des "Gilgamesh"-Epos (2001). 1994
erschien Schrotts Übersetzung des Gedichtbandes "Mittsommer"
des Literatur-Nobelpreisträgers Derek Walcott. Großes Aufsehen
erregte der 1998 erschienene Band "Die Erfindung der Poesie",
der neu üersetzte Gedichte aus allen Kulturen der letzten 4.000
Jahre enthält - Schrott beherrscht zahlreiche seltene Sprachen, u.a.
Provençalisch, Okzitanisch und Gälisch. Zuletzt ist bei Hanser
der Lyrikband "Weissbuch" (2004) herausgekommen.
Preise
(u.a.)
1994: Preis
des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb
1995: Leonce-und-Lena-Preis
der Stadt Darmstadt
1996: Rauriser
Literaturpreis des Landes Salzburg
1996: Robert-Musil-Stipendium
1999: Peter-Huchel-Lyrikpreis
2004: Mainzer
Stadtschreiber
Stimmen
der Kritik
Die
"Frankfurter Rundschau" (vom 6. Juli 2002) üer Raoul Schrott:
"Raoul Schrott ist ein Tausendsassa des Literaturbetriebs. In nur
einem Jahrzehnt ist es ihm gelungen, sich (...) einen vielbeachteten,
auch umstrittenen Namen zu machen. (Schrott ist) ohne Zweifel ein Multitalent,
das mit immer neuen Überraschungen aufzuwarten weiß."
Hans-Peter
Kunisch in der "Zeit" (12. November 1998) üer Schrotts
Buch "Tropen":
"Schrotts Sprache pendelt zwischen scheinbar selbstverständlicher
Unmittelbarkeit und hoch selbstreflektierter Komplexität. (...) In
seinem Hang zur polemischen Provokation von Schriftstellerkollegen (...),
fordert Schrott zur verdammenden oder bejubelnden Lagerbildung unter Lesern
und Kritikern selbst heraus. (...) Immer wieder fällt auf, welches
Potential an Bildkraft, welche Sprachmacht Schrott, bei aller Kritik an
seiner Neigung zur Überorchestrierung, hat."
Michael
Braun im "Freitag" (15. Januar 1999) üer Schrotts "Tropen":
"Raoul Schrott, der vielbestaunte Lyrik-Archäologe, polyglotte
Übersetzer, interkontinentale Sprachweltreisende und ehrgeizige Universalgelehrte
(hat) dem Erhabenen in seinem jüngsten Werk zu neuen Weihen verholfen.
(...) Schrotts 'Tropen' führen uns in (...) Extreme des Wahrnehmens
und des Wissens - seinen poetischen Rekonstruktionen des Erhabenen wächst
selbst jene Qualität zu, die nach Kant erstes Kennzeichen der Erhabenen
ist: Größe."
Franz
Haas in der "Neuen Zürcher Zeitung" (vom 3. September 2003)
üer Schrotts Roman "Tristan da Cunha oder die Hälfte der
Erde":
"Der Roman 'Tristan da Cunha oder die Hälfte der Erde' ist Weltliteratur
in mancher Hinsicht, er umfasst ein halbes Jahrtausend abendländischer
Geschichte (...). Aber das Gewicht dieses Buches liegt nicht in der universalen
Gelehrtheit oder in den erzählten Kuriositäten (...), sondern
in der Spannkraft der Prosa, einer Sprache, die für die unterschiedlichsten
Handlungen den richtigen Atem findet. (...) Den Leser (entlässt Schrott)
mit der Gewissheit, dass heute auch in deutscher Sprache faszinierendes
Erzählen möglich ist in einem großartigen Roman."
Im Zwielicht des düsteren Himmels
Anmerkungen zu Raoul Schrott - anlässlich einer Lesung aus dem Roman
"Tristan da Cunha" in Mainz,
November 2003
Tristan da Cunha - klangmalerische Exotik durchraunt den Titel des neuen
Romans von Raoul Schrott. Doch das t�uscht. Tristan da Cunha, das ist
ein schroffes vulkanisches Eiland inmitten der unendlichen Verlorenheit
des S�datlantiks, fernab aller Schifffahrtsrouten, nur wenige Kilometer
breit, es regnet fast st�ndig, der Boden ist karg. Kein Ort f�r Schatzinsel-Romantik.
Aber einer, �ber den sich zu erz�hlen lohnt. Der �sterreichische Star-Autor
Raoul Schrott, Jahrgang 1964, hat dies mit seinem Buch "Tristan da
Cunha oder die H�lfte der Erde" eindrucksvoll bewiesen.
Die
Wissenschaftlerin Noomi Morholt kommt in den Besitz alter Dokumente. Es
sind die packenden Lebensberichte dreier M�nner, die zu unterschiedlichen
Zeiten auf der Insel Tristan da Cunha gewohnt, gewirkt - und ungl�cklich
geliebt haben. Der Kartograf Christian Reval, der anglikanische Priester
Edwin Dodgson, schlie�lich Mark Thomson, ein besessener Briefmarkenh�ndler
- alle drei haben sich in ihrer Zeit unsterblich in eine Frau verliebt,
die immer den gleichen Namen tr�gt: Marah, personifizierte Projektionsfl�che
m�nnlicher Begierden. Und alle drei wurden von ihren Marahs verlassen,
betrogen oder gar nicht erst erh�rt. Kunstvoll sind die auf siebenhundert
Seiten verteilten Geschichten von unerf�llter Liebe und gestrandeten Hoffnungen
miteinander verwoben. Raoul Schrott versteht es, eine Atmosph�re vibrierender
Intensit�t zu erzeugen, im Buch und w�hrend der Lesung. Tristan da Cunha
sei f�r ihn die ideale Allegorie f�r alles, was die Welt zwischen Gl�ckseligkeit
und Todesgewissheit ausmache, sagt Schrott. Die winzige Atlantikinsel
wird so zum Miniaturspiegel der Menschheitsgeschichte, ein Abbild der
gro�en Welt, die sich hinter der insularen Maske zu verbergen wei�. Tristan
da Cunha - in weiter Ferne so nah.
Schrott selbst
hat seinen Roman eine Topografie der Sehnsucht genannt: Sehnsucht nach
Liebe, nach Zuwendung und nach Sinn. Aber: Sinn, das ist das, was wir
selbst erfinden, unsere ureigenste Fiktion, Sehnsucht ist Aufbau einer
immerw�hrenden Illusion. Damit hat auch die Liebe ihre sinnstiftende Kraft
verloren, wenn sie sie denn je besessen hat. Doch so melancholisch will
Raoul Schrott die Lesung doch nicht enden lassen. Witzig und charmant
plaudert er �ber seine eigene Reise zur Insel, �ber M�nnerphantasien und
�ber die N�te des Schriftstellerdaseins. Ein gelungener Abend. Und eine
Einladung, die eigenen Sehns�chte im Dickicht unendlich sch�ner S�tze
zu entdecken.
Holger
Dauer
© TourLiteratur
/ Autor
Alle Rechte vorbehalten
Eine leicht
gekürzte Fassung des Artikels ist zuerst unter dem Titel "Im
Zwielicht des Himmels" in der "Allgemeinen Zeitung", Mainz
(Nr. 276 vom 27. November 2003, S. 29) erschienen.
Buchcover
(von oben nach unten):
1) Raoul Schrott: Tropen. Über das Erhabene. München: Hanser
Verlag 1998.
2) Raoul Schrott: Weissbuch. München: Hanser Verlag 2004.
3) Raoul Schrott: Tristan da Cunha oder die Hälfte der Erde. Roman.
München: Hanser Verlag 2003.
© Hanser Verlag, München
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