Walter
Höllerer ist tot
Der
Schriftsteller, Kritiker, Herausgeber und Literaturwissenschaftler Walter
Höllerer ist tot. Er starb am 20. Mai 2003 im Alter von 80 Jahren
in Berlin. Höllerer war einer der bedeutendsten und einflussreichsten
Förderer des literarischen Lebens der Bundesrepublik Deutschland
nach 1945.
Höllerer, geboren am 19. Dezember 1922 im oberpfälzischen
Sulzbach-Rosenberg, studierte nach dem Kriegsdienst
Theologie, später Germanistik, Romanistik, Geschichte und Philosophie
an den Universitäten Erlangen, Göttingen und Heidelberg. Seine
Doktorarbeit schrieb er üer Gottfried Kellers "Leute von
Seldwyla". Er habilitierte sich 1959 und wurde im gleichen Jahr
Professor für Neuere Deutsche Literatur an der TU Berlin (Emeritierung
1988). Bereits 1954 gründete er mit dem Autor Hans Bender die Zeitschrift
"Akzente", die er bis 1967 leitete. Seit 1961 gibt Höllerer
die Zeitschrift "Sprache im technischen Zeitalter" heraus.
Auf Walter Höllerer geht auch die Gründung des "Literarischen
Colloquiums" im Jahr 1963 zurück - eine Begegnungsstätte
der westdeutschen Literatur, zugleich ein Forum für talentierte
Nachwuchsautoren. Diese und andere Aktivitäten brachten Höllerer
den Ruf des "erfolgreichsten Literaturmanagers West-Berlins"
in den sechziger Jahren ein (so Hans-Christoph Buch in seinem Nachruf
auf Walter Höllerer, publiziert in der "ZEIT" Nr. 23/2003).
Seit 1952 trat Walter Höllerer auch als Lyriker hervor - am bekanntesten
sind seine Gedichtbände "Der andere Gast" (1952, Neuauflage
im Jahr 2000), "Außerhalb der Saison" (1967) und "Systeme.
Neue Gedichte" (1969). Über die Lyrik Höllerers schreibt
der Literaturwissenschaftler Norbert Miller:
"Walter Höllerer ist kein aus Klängen webender Lyriker,
kein Nachromantiker. So sehr sein Ohr auf Grenzverschiebungen im Wort
und im Satz achtet, geht er als Autor misstrauisch-streng mit der Kunstform
des Gedichts um. Ein experimenteller Lyriker, der den Dadaisten und
den französischen Lyrikern des Surrealismus
nahesteht." (Norbert Miller: Ein Dichter als Wissenschaftler. Zum
75. Geburtstag von Walter Höllerer. Publiziert auf den Internetseiten
der Pressestelle der TU Berlin, Januar 1998.
Lesen
Sie hier den ganzen Text)
Sein 1959 entstandener Roman "Die Elephantenuhr" erschien
erst im Jahr 1973, zwei Jahre später noch einmal in einer gekürzten
Fassung. Daneben verfasste Höllerer auch Dramen (etwa die Komödie
"Alle Vögel alle", 1978) und Filmdrehbücher sowie
zahlreiche Essays (z.B. "Wie entsteht ein Gedicht?", 1964,
"Zwischen Klassik und Moderne. Lachen und Weinen in der Dichtung
einer Übergangszeit", 1958, sowie "Zurufe, Widerspiele.
Aufsätze zu Dichtern und Gedichten", 1993). 1977 gründete
Höllerer in seiner Geburtsstadt das Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg,
dem er u.a. seine gesamte Korrespondenz (üer 20.000 Briefe) mit
allen bedeutenden Gegenwartsautoren üerließ. Zu den zahlreichen
Ehrungen und Auszeichnungen, die Höllerer entgegen nehmen konnte,
gehören u.a. der Fontanepreis (1966) und der Johann-Heinrich-Merck-Preis
1975 für sein essayistisches Werk.
Weiterführende
Links zu Walter Höllerer
Buchcover
oben: Walter Höllerer: Der andere Gast. Gedichte. München:
Buch & Media 2000.
Buchcover unten: Walter Höllerer: Theorie der modernen Lyrik. Dokumente
zur Poetik. 2 Bde. Neu hrsg. v. Norbert Miller u. Harald Hartung. München:
Hanser Verlag 2003. (= Schriftenreihe der Deutschen Akademie für
Sprache und Dichtung.)
(TourLiteratur 7 / September 2003)
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Gestorben
mit 99 Jahren: Moses Rosenkranz
Der
aus der Bukowina stammende deutsch-jüdische Schriftsteller Moses
Rosenkranz ist am 17. Mai 2003 im Alter von 99 Jahren in Lenzkirch (Schwarzwald)
gestorben. Rosenkranz wurde 1904 in Berhometh (Rumänien) geboren
und ist bereits seit Mitte der 20er Jahre mit Gedichtbänden hervorgetreten.
1961 kam er nach Westdeutschland, wo er als Autor bis zum Erscheinen
seiner Autobiographie "Kindheit" im Jahr 2001 kaum wahrgenommen
wurde.
Jörg Drews in der "Badischen Zeitung" vom 22. Mai
2003 üer Moses Rosenkranz:
"Seine Gedichte, darunter unglaubliche Verse vom Judentod (...),
sind Zeugen der schrecklichsten Orte und Schicksale des vergangenen
Jahrhunderts, und es sind bewegende Klagen, Klagen üer die Zugehörigkeit
zu einer Kultur und Sprachkultur, die zu spät zu ahnen begann,
was sie auch sich selbst antat und angetan hatte, als sie die osteuropäischen
Juden ermordete."
Weiterführende
Links zu Moses Rosenkranz
Buchcover:
Moses Rosenkranz: Kindheit. Fragment einer Autobiographie. Hrsg. v.
Doris Rosenkranz, Matthias Huff u. George Gutu. Aachen: Rimbaud Verlagsgesellschaft
2001.
(TourLiteratur 7 / September 2003)
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Romancier
Herbert Otto gestorben
Herbert
Otto, der in der ehemaligen DDR viel gelesene Romanautor, ist am 24.
August 2003 in Ahrenshoop gestorben. Ottos Bücher, fast alle verfilmt,
erreichten in der DDR Spitzenauflagen - seine "Personnage (besteht)
aus jenen Typen, die Literatur seit Urzeiten bevölkern", schreibt
Regina General im "Freitag" vom 29. August 2003: "Verliebte,
Getrennte, sich Wiederfindende, die fernab großer Ereignisse ihre
Konflikte bewältigen oder scheitern."
Herbert Otto wurde am 15. März 1925 in Breslau geboren. Im II.
Weltkrieg war er Soldat, 1944 geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft.
1949 besuchte er die Antifazentralschule in Moskau, anschließend
arbeitete er als Verlagslektor und Dramaturg in der DDR. Seine Erfahrungen
von Krieg, Gefangenschaft und Aufbaujahre im Osten Deutschlands verarbeitete
er in seinem Erstling "Die Lüge", 1956 erschienen. Zu
seinen bekanntesten Büchern zählen die Romane "Zeit der
Störche" (1966), "Zum Beispiel Josef" (1971), "Die
Sache mit Maria" (1989) sowie die Erzählung "Griechische
Hochzeit" (1964). Nach der Wiedervereinigung folgte nur noch ein
Roman: "Das Hundeohr" (1997). Herbert Otto wurde 1971 mit
dem Heinrich-Mann-Preis ausgezeichnet.
Einige
Links zu Herbert Otto
Buchcover: Herbert Otto: Das Hundeohr. Roman. Leipzig: Verlag Faber
& Faber 1997.
(TourLiteratur
7 / September 2003)
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Essayist
und Publizist François Bondy gestorben
Der Schweizer Essayist, Literaturkritiker und Journalist François
Bondy ist im Alter von 88 Jahren gestorben. Er verstarb am 27. Mai 2003
in Zürich. Bondy hat sich besonders durch seine zahlreichen Essays
- etwa "Aus nächster Ferne" (1969), "Alle Katzen
sind sterblich" (1976) und "Pfade der Neugier" (1989)
- sowie durch seine unzähligen Kritiken in fast allen wichtigen
deutsch- und französischsprachigen Zeitungen einen großen
Namen im europäischen Geistesleben gemacht. Autoren wie Ignazio
Silone und Nathalie Sarraute sind durch seine Vermittlung einem größeren
Publikum bekannt geworden.
François
Bondy
wurde am 1. Januar 1915 in Berlin geboren. Seine Schulzeit verbrachte
er in Lugano und Nizza, anschließend studierte er in Paris und
Zürich. Im Jahr 1931 erhielt Bondy die Schweizer Staatsbürgerschaft.
Seit 1940 arbeitete Bondy vornehmlich als politischer Redakteur, u.a.
bei der Zürcher "Weltwoche", bei der von ihm zwischen
1951 und 1969 herausgegebenen Zeitschrift "Preuves" sowie
- ab 1975 - den "Schweizer Monatsheften". Für sein Werk
wurde Bondy 1994 mit der Johann-Jakob-Bodmer-Medaille der Stadt Zürich
geehrt.
Lesetipp: Richard Reich / Béatrice Bondy (Hrsg.): Homme
des Lettres. Freundesgabe für François
Bondy. Zürich: Schulthess Polygraphischer Verlag 1985.
Weiterführende
Links zu François
Bondy
(TourLiteratur 7 / September 2003)
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Schweizer
Autor Hans Boesch gestorben
Der
Schweizer Schriftsteller Hans Boesch ist am 21. Juni 2003 im Alter von
77 Jahren in Stäfa gestorben. Bekannt geworden ist Boesch besonders
mit seiner Romantrilogie um den Protagonisten Simon Mettler, "Der
Sog", "Der Bann" und "Der Kreis" (1988-1998).
Im Frühjahr 2003 erschien sein letzter Roman "Schweben"
bei Nagel & Kimche in Zürich.
Hans Boesch wurde am 13. März 1926 in Frümsen im Schweizer
Kanton St. Gallen als Sohn eines Försters geboren. Er studierte
am Technikum Winterthur Tiefbau-Ingenieurswesen und arbeitete als Tiefbautechniker
und Verkehrsplaner, u.a. an der Eidgenössischen Technischen Hochschule
in Zürich. 1951 erschien sein erster Gedichtband - "Oleander,
der Jüngling". Es folgten u.a. die Lyrikbände "Seligkeit"
(1953), "Pan" (1955) und "Ein David" (1970) sowie
die Romane "Der junge Os" (1957), "Das Gerüst"
(1960), "Die Fliegenfalle" (1968) und "Der Kiosk"
(1978). 1997 wurde Hans Boesch mit dem Joseph-Breitbach-Preis ausgezeichnet.
Beatrice von Matt in ihrem Nachruf auf Hans Boesch (erschienen in
der "Neuen Zürcher Zeitung" vom 24. Juni 2003):
"Hans Boesch war und ist der große Unbekannte in der Schweizer
Literatur. Seine Bücher sind anspruchsvoll, die geistigen Konzepte
ganz eigen und in jedem Buch neu erarbeitet."
Weiterführende
Links zu Hans Boesch
Buchcover:
Hans Boesch: Schweben. Roman. Zürich: Verlag Nagel & Kimche
2003.
(TourLiteratur 7 / September 2003)
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Antonis
Samarakis 83-jährig gestorben
Neben Nikos Kazantzakis war er der wohl bekannteste griechische Autor:
Antonis Samarakis ist am 8. August 2003 in seiner Geburtsstadt Athen
gestorben. Samarakis, 1919 geboren, war nach seinem Jura-Studium im
griechischen Arbeitsministerium tätig. Während des Zweiten
Weltkriegs war er im Widerstand. 1954 erschien sein erster Kurzgeschichtenband
("Hoffnung gesucht"). 1965 folgte sein wohl bekanntester Roman
"Der Fehler", der, wie auch weitere Bände des Dichters,
verfilmt und in fast dreißig Sprachen üersetzt wurde.
1989 wurde Samarakis zum UNICEF-Botschafter des Guten Willens ernannt.
(TourLiteratur 7 / September 2003)
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Der
Dramatiker Peter Hacks ist tot
Im
März feierte Peter Hacks seinen 75. Geburtstag. Der Berliner Eulenspiegel
Verlag würdigte seinen prominentesten Autor mit einer 15-bändigen
Gesamtausgabe. Am 28. August 2003 starb Peter Hacks nach langer Krankheit
in Berlin. Hacks gehörte besonders in den 60er und 70er Jahren
zu den meist gespielten Autoren in der Bundesrepublik Deutschland und
in der DDR. Hacks verstand sich als üerzeugter Sozialist - 1955
ging er freiwillig in die DDR, um von da an dort zu leben und zu arbeiten.
Mit der Staatsmacht geriet er jedoch mehr als einmal in Konflikt - sein
1962 uraufgeführtes Stück "Die Sorgen und die Macht"
beispielsweise, anlässlich der Ostberliner Festtage von Wolfgang
Langhoff am Deutschen Theater inszeniert, wurde Anfang 1963 wieder abgesetzt,
da es nach Auffassung der SED-Gewaltigen die Arbeiterklasse verunglimpfe.
Peter Hacks wurde am 21. März 1928 in Breslau als Sohn eines Rechtsanwalts
geboren. Nach dem Weltkrieg zieht die Familie in den Westen um, zuerst
nach Wuppertal, dann nach Dachau. 1946 beginnt Hacks sein Studium der
Soziologie, Philosophie, der Neueren Literatur und der Theaterwissenschaft
in München. Er promoviert sich 1951 zum Dr. phil. mit dem Thema
"Das Theaterstück des Biedermeier (1815-1840)". Erste
literarische Arbeiten für Hörfunk, Kabarett und Theater entstehen
in dieser Zeit. 1954 gewinnt der junge Autor mit seinem Stück "Eröffnung
des indischen Zeitalters" den "Wettbewerb für junge Autoren
der Stadt München" - das Stück wird ein Jahr später
an den Münchner Kammerspielen unter der Regie von Hans Schweikart
uraufgeführt. Bertolt Brecht ist von dem Drama so beeindruckt,
dass er Peter Hacks nach Ost-Berlin einlädt - für das "Berliner
Ensemble"
verfasst Hacks eine Übersetzung von John Millington Synges "Der
Held der westlichen Welt".
In den nächsten Jahren arbeitet Peter Hacks allerdings vornehmlich
mit Wolfgang Langhoffs Deutschem Theater zusammen, wo u.a. die Stücke
"Die Schlacht bei Lobositz" (1956) und "Der Müller
von Sanssouci" (1958)
uraufgeführt werden. Seine folgenden Stücke wurden sowohl
im Westen (dort vor allem dank der Vermittlung durch Claus Peymann)
als auch im Osten mit großem Erfolg inszeniert - "Die schöne
Helena" (1964), "Polly oder Die Bataille am Bluewater Creek"
(1965), "Moritz Tasso" (1965), "Schuhu oder Die fliegende
Prinzessin" (1966), "Das Volksbuch vom Herzog Ernst oder Der
Held und sein Gefolge" (1967), "Amphitryon" (1968), "Margarete
in Aix" (1969) und "Omphale" (1970). Zu seinen international
bekanntesten Stücken zählen die Komödien "Adam und
Eva" (1972), "Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern"
(1975) sowie vor allem das Schauspiel "Ein Gespräch im Hause
Stein üer den abwesenden Herrn von Goethe" (1976). Seit Anfang
der 80er Jahre wurden Stücke von Peter Hacks kaum noch aufgeführt,
Dramatiker wie etwa Heiner Müller beherrschten die Bühnen.
Gleichwohl entstanden auch nach der Wende von 1989 weitere Dramen, so
"Genovefa", "Der Maler des Königs" oder "Die
Höflichkeit der Genies" (alle zwischen 1991 und 1996).
1998 schrieb Elke Schmitter in der "ZEIT" (Nr. 38 vom 10.
September):
"Der Hacks, das war ein Weltberühmter, der anders konnte und
doch blieb: fest bis zum Dogmatismus in seiner marxistischen Weltanschauung,
schmiegsam in seiner Sprache und freiwillig zu Hause heimatlos. Bis
das Zuhause beitrat. Dann war er auch dort kein ferner Held mehr, sondern
ein bisschen peinlich."
In einer autobiografischen Notiz aus dem Jahr 1972 schreibt Peter
Hacks:
"Der heilige Benediktus, der, wie man mir sagt, im Jahre 480 geboren
wurde, befasste sich vornehmlich mit der Lösung des Problems, wie
einer auf Erden möglichst glücklich leben und doch eben noch
in den Himmel kommen könne. Ich, der ich, wie man mir sagt, im
Jahre 1928 geboren bin, befasse mich (das zu Ändernde geändert)
ganz mit demselben Problem." (Peter Hacks: Autobiografie. In: Ders.:
Das Poetische. Ansätze zu einer postrevolutionären Dramaturgie.
Frankfurt/Main 1972, S. 97. - Das Buch ist neu erschienen bei der Hamburger
Edition Nautilus, 2001)
Weiterführende
Links zu Peter Hacks
Buchcover
oben: Horst Laube: Peter Hacks. München: dtv 1972. (= Dramatiker
des Welttheaters. Friedrich Verlag, Velber bei Hannover)
Buchcover
unten: Peter Hacks: Ein Gespräch im Hause Stein üer den abwesenden
Herrn von Goethe. Hamburg: Edition Nautilus 1998.
(TourLiteratur 7 / September 2003)
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