Das
Gewissen Amerikas - Arthur Miller ist tot
Der
US-amerikanische Dramatiker Arthur Miller ist tot. Er starb am 10. Februar
2005 im Alter von 89 Jahren in seinem Haus in Roxbury (US-Bundesstaat
Connecticut). Miller litt seit Jahren an einer Krebserkrankung.
Weltberühmt wurde er durch seine Dramen "Tod eines Handlungsreisenden"
(1949) und "Hexenjagd" (1953), in denen seine scharfe Kritik
an den gesellschaftlichen Zuständen in den USA deutlich wurde.
Arthur Miller wurde am 17. Oktober 1915 in New York im Stadtteil Harlem
als Sohn eines jüdischen Kleiderfabrikanten und einer Lehrerin
geboren. Nach Abschluss seines Literaturstudiums an der Universität
von Michigan im Jahr 1938 arbeitete er bei diversen Theaterprojekten
in New York mit und schrieb Hörspiele für Rundfunksender.
Zeitweise verdiente er sich seinen Lebensunterhalt als Hilfsarbeiter,
u.a. als Lastwagenfahrer. 1945 erschien sein erster Roman "Focus"
(dt. "Brennpunkt", 1955), konzentrierte sich jedoch danach
vor allem auf Theaterstücke - neben der Sozialtragödie "Tod
eines Handlungsreisenden" und "Hexenjagd" sind vor allem
zu nennen: "Alle meine Söhne" (1947), "Blick von
der Brücke" (1956), "Zwischenfall in Vichy" (1964),
"Die Schaffung der Welt und andere Geschäfte" (1972),
"The Archibishop's Ceiling" (1977), "Die Große
Depression" (1980), "Clara" (1986) und "Mr. Peter's
Connections" (1999). 2003 erschien die große Essaysammlung
"Widerhall der Zeit", in der Millers Aufsätze aus den
Jahren 1944 bis 2001 gesammelt sind. Bereits 1985 erschien seine Autobiografie
"Timebends. A life" ("dt. Zeitkurven").
1956 wurde Miller vor den Kongress-Ausschuss zur "Bekämpfung
unamerikanischer Umtriebe" zitiert, wo ihm Unterstützung der
kommunistischen Ideologie vorgeworfen wurde - was der Autor bestritt,
später jedoch zugab, Ende der 40er Jahre kurzzeitig mit dem Marxismus
sympathisiert zu haben. Miller hat sich immer wieder politisch eingemischt
- in den 70er Jahren beispielsweise setzte er sich für verfolgte
Schriftsteller aus dem Ostblock ein. Im Jahr 2002, kurz vor dem US-Angriff
auf den Irak, machte Miller in einem Interview mit dem französischen
Magazin "L'Express" seine Abscheu gegen Präsident George
W. Bush deutlich - für eine solche Regierung müsse "man
sich schämen". In einem Interview mit der "ZEIT"
vom September 1998 sagte Arthur Miller:
"Schreiben ist Leben. Andererseits heißt Schreiben (...),
sich wehren gegen den aggressiven Materialismus dieses Landes [gemeint
ist die USA] - dessen Menschen man doch zugleich liebt. Man möchte
das kleine Lämpchen Humanität in die Finsternis tragen."
(DIE ZEIT Nr. 38 vom 10. September 1998, S. 47)
Angesprochen auf seine kritische Grundhaltung, antwortete Miller in
einem Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung" aus dem
Jahr 2003:
"Skeptisch bin ich von Natur aus, nicht nur Amerika, sondern den
Menschen und ihren Motiven gegenüer, wie immer diese geartet sein
mögen." (Neue Zürcher Zeitung vom 5. Juli 2003)
Von
1956 bis 1960 war Miller mit der Filmschauspielerin Marilyn Monroe verheiratet,
für die er das Drehbuch zum Spielfilm "Misfits - Nicht gesellschaftsfähig"
(1962, Regie: John Huston) verfasste. 1962 heiratete Miller die österreichische
Fotografin Inge Morath, die 2002 gestorben ist. Zahlreiche Dramen Millers
wurden auch verfilmt, etwa sein "Death of a Salesman" durch
Volker Schlöndorff im Jahr 1985 (mit Dustin Hoffman und John Malkovich
in den Hauptrollen). Millers Werk wurde mit zahlreichen nationalen und
internationalen Preisen ausgezeichnet, etwa mit dem Pulitzerpreis (1949)
und dem Jerusalem-Preis für das Lebenswerk (2003). Von 1965 bis
1969 war er Präsident des Internationalen P.E.N.
Peter
Michalzik in der "Frankfurter Rundschau" vom 12. Februar 2005
zum Tode Arthur Millers:
"Bis heute ist in Arthur Millers Stücken (...) eine eigenartige
Kraft zu spüren, die die Zuschauer direkt anrührt und bei
dem packt, was altmodischerweise Gewissen genannt wird. Arthur Miller
ist ein Moralist gewesen, aber er gehörte einer Generation an,
wo das noch nicht notwendigerweise mit dem Zeigefinger, sondern mit
lebendiger dramatischer Tradition verbunden war."
Alfred Starkmann zum Tode Millers in der "Welt" vom 12.
Februar 2005:
"Unter den Großen der amerikanischen Gegenwartsliteratur
war Arthur Miller der mit dem stärksten politischen Engagement.
Es schlug sich in seinen Werken vor allem als Sozialkritik nieder. Dennoch
gewann er den Situationen das ihnen eigene Allgemeine ab, verstand es,
die Aussage unsichtbar zu machen, indem er sie hinter Schicksalhaftem
versteckte."
Matthias Matussek in "SPIEGEL online" (11. Februar 2005)
zum Tod des Dramatikers:
"Fest steht, dass mit Miller einer der großen kritischen
Jahrhundertköpfe der amerikanischen Literatur abgetreten ist. (...)
In Zeiten, in denen Karrieren dadurch bestritten werden, dass auf linke
'Gutmenschen' eingeprügelt wird, war Arthur Miller das siegreiche
Monument des guten Menschen. Egoismus und kapitalistische Gaunertugenden
zahlen sich nicht aus, sagte Miller mit seinem langen Riesenleben."
Buchcover:
1) Arthur Miller: Timebends. A life. London: Methuen Publishing Ltd.
1999.
2) Arthur Miller: Tod eines Handlungsreisenden. Zwei Akte und ein Requiem.
Übersetzt von Volker Schlöndorff mit Florian Hopf. Frankfurt/Main:
Fischer Taschenbuch Verlag 1986 [und weitere Auflagen].
(TourLiteratur
11 / Februar 2005)
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