Rezensionen > Goosen, Frank: Pink Moon |
Rettende
Gegenwärtigkeit Frank Goosen:
Pink Moon. Roman.
Doch die Vereinnahmung beginnt schon vorher, vorausgesetzt, man hat den von Moni Port gestalteten Schutzumschlag der Eichborn-Ausgabe nicht entfernt. Denn man nimmt dieses Buch in die Hand, den Daumen auf der Vorder-, die Finger auf der R�ckseite, und merkt, dass man kein Buch in der Hand h�lt, sondern einen Bilderrahmen. Einen alten kleinen Wechselrahmen, den man an die Wand h�ngen oder aufstellen kann, indem man von der R�ckseite einen daf�r vorgesehenen Streifen abspreizt. Die Finger streifen �ber die lederne R�ckseite und die drehbaren Klammern, die die Platte im Rahmen halten. Die Vorderseite zeigt aber kein Bild. Es ist nur ein abgenutzter schmaler Holzrahmen mit vergilbtem Passepartout. Das Bild fehlt. Und das Paradox des ersten Satzes setzt sich im Roman fort, denn er ist voll von Bildern. Stetig und attributreich liefert der Erz�hler Bilder dessen, was er wahrnimmt, seines vermeintlich toten Vaters beispielsweise, den er auf der Stra�e wiederzuerkennen in der Lage ist, weil er durchaus �ber ein Bild, eine Fotografie, des Abwesenden verf�gt. Es sind so viel scharfe und bunte Bilder, so genaue Beschreibungen dessen, was Felix Nowak, Besitzer des gut gehenden Restaurants Pink Moon, sieht und tut, dass der Leser schon im Begriff ist, sich entnervt zu fragen, was denn das solle, warum das so wichtig sei, wo genau im Restaurant was steht, welche Ger�usche die Kaffeemaschine macht (allerdings ist Kaffee eine Obsession von Goosen, die sich in allen Romanen andeutet und in Goosens heiterem Lebenslauf unter www.frankgoosen.de Best�tigung findet) oder wie genau der Gesch�ftsf�hrer, der Felix so gut wie alle Arbeit abnimmt, gekleidet ist. Viel mehr w�rde doch interessieren, was in Felix vorgeht, wie er sich f�hlt. Und vor allem, was passiert ist. Dass etwas passiert ist, und zwar abgesehen von der geisterhaften und doch realen Begegnung mit einem Mann, der aussieht wie sein Vater, den Felix aber wieder aus den Augen verliert, dass dar�ber hinaus etwas passiert sein muss, wird an besorgten Fragen von Mitarbeitern und Freunden deutlich. Und langsam wird einem klar, dass dieser Mann sich an die Gegenwart klammert, sich verzweifelt an der Gegenw�rtigkeit der Umgebung festh�lt, um nicht in den Gedanken an das Ereignis und dessen Auswirkungen auf sein Leben oder Selbstbewusstsein unterzugehen. Dennoch bahnt sich in diesen wenigen Wochen, die die Haupthandlung umspannt, die Erinnerung ihren Weg, und allm�hlich setzt sich Felix' Geschichte zusammen. Die nicht ganz einfache Jugend mit der alleinerziehenden Mutter und deren wechselnden Partnern. Die Hoffnung des Jungen, sein Vater w�rde endlich auftauchen und die ungeliebten Stiefv�ter in ihre Schranken weisen. Die ma�lose Entt�uschung, als die Mutter, die er trotz allem sehr verehrt, pl�tzlich verk�ndet, der Vater, den Felix nie gesehen hat, sei gestorben. Der folgende Ausbruch, Jahre als Theker in Berlin, unbefriedigende Beziehungen. Die Begegnung mit dem Gesch�ftspartner und die Er�ffnung des "Pink Moon" mit Hilfe eines kleinen Verm�gens, das Felix' Mutter aus ihrer zweiten Ehe gerettet hat. Diese Erinnerungen, ungeordnete Bilder wiederum, lassen den Leser ahnen, was passiert ist. Und sich mehr und mehr fragen, ob die einleitende Begegnung mit dem Vater nicht schlicht eine sehns�chtige Vision ist, die durch das Ereignis ausgel�st wurde. Felix stellt sich dieser Frage zun�chst nicht, verbringt orientierungslose Wochen, sitzt tatenlos in seinem Restaurant, k�mmert sich um einen verr�ckten Nachbarn und lernt eine Frau kennen. Bis er schlie�lich begreift, dass er in seinem Leben Ordnung schaffen und seinen Vater wiederfinden muss. Die Romane von Goosen, der seine Karriere als Kabarettist auf Kleinkunstb�hnen in Kneipen begann, �hneln sich insofern, als sie alle das Erwachsenwerden erz�hlen: die Geschichte von Freundschaft und Liebe, von Tr�umen, Entt�uschungen und Verlusten. In den ersten beiden B�chern war der Komiker neben aller Melancholie und Ernsthaftigkeit noch deutlich zu vernehmen. In der Zwischenzeit k�nnte man meinen, Goosen habe mehr Zeit damit verbracht, Murakami zu lesen, als Nummern zu schreiben. Das hat sich gelohnt. Da werden schmissige erste S�tze weniger wichtig. Friderike Beyer © TourLiteratur
/ Autorin © Buchcover: Eichborn Verlag, Frankfurt a.M. / Berlin |