Rezensionen > Meike Hauck: Mad in America |
Meike
Hauck
Spaß
haben, aber analog Jonathan und Anna S., das sind die personifizierten Abziehbilder der utopielosen U-30-Generation, barrierefrei aufgewachsen in einer vom Konsum berauschten Spa�gesellschaft, tragikomische Opfer des 'Anything goes', der selbstbestimmtes Leben, Individualit�t propagiert und im Grunde nicht mehr als uniforme Modetrends zu bieten hat. Die Handelskette als (post)moderner Sinnstifter, Erl�s statt Erl�sung, Event statt authentisches Erleben - Damit ist das Spektrum der Befindlichkeiten umschrieben. Und auch wieder nicht. Denn die beiden sind sich nicht im Klaren: "Wollen wir die totale Verwirrung jetzt oder nicht?" Jonathan will den "Durchblick" behalten, will sich positionieren "�ber den Willen". Schopenhauer l�sst gr��en. Ironisch, versteht sich. Und verabschiedet sich gleich wieder: "Du sollst das Chaos genie�en k�nnen", r�t Anna S., scheinbar abgekl�rt. "Bist doch ein moderner Mensch!" Doch genau da liegt die Crux. Wo sich Alternative an Alternative reiht, wo sich M�glichkeiten unendlich potenzieren, da herrscht permanente Entscheidungslosigkeit, Eskalation des Sinnverlusts, wird Wahrheit nur noch als willk�rlich austauschbares Provisorium erlebt. Die L�sung? "Wir k�nnten uns mal wieder physisch n�her kommen", schl�gt Jonathan unvermittelt vor. Fr�her hie� das mal Liebe. Und heute? "Mal wieder analog Spa� haben". Warum auch nicht? "Wenn's hilft." �bersetzt hei�t das: Radikalverlust zwischenmenschlicher Vibrationen, eine zum Phlegma degradierte Leidenschaft. Innige Momente der Zweisamkeit sehen entschieden anders aus. Eine andere M�glichkeit: der "Vatermord". Jonathan schl�gt ihn vor, ganz nebenbei. "Oh cool", entgegnet Anna S. ebenso unger�hrt. Auch diese Alternative: ad acta gelegt. Welche V�ter, sprich: Ideologien sollten auch liquidiert werden? Es gibt zu viele davon. Oder gar keine mehr. Man wei� nicht mehr, "wogegen man eigentlich sein soll". Noch so eine tragische Erkenntnis Jonathans. Und doch lotet Anna S. Spielarten des Widerstands aus: Mit einer Steinschleuder ein Loch ins Dach des Reichstags schie�en. Oder effektiver: eine Handgranate werfen. Aber auch das: Alles Kopfgeburten, kraftlose Aufbegehrensgesten eines ausgelaugten Ich. Und zwischen all dem schimmert sie immer wieder durch: die Sehnsucht nach sicherer Verortung, nach dem "eigenen" Weg, der aus der Fremdbestimmung herausf�hrt. Wenn es doch so etwas wie ein "Normalma� von Freiheit" g�be, ein ausgewogenes Verh�ltnis von Abenteuer und Sicherheit, ein "Kick mit Netz". Doch der ist nicht zu haben. Es bleiben: Halluzinationen einer besseren Welt, in der man sich "ohne R�cksicht auf Verluste mit der Gl�cksbefriedigung abfinden" muss. Immerhin. Sprachlich bewegt sich das alles zwischen obsz�nem Brutaljargon und soziologischer Feinschliff-Rhetorik, humoreske Einsch�be inbegriffen. Meike Hauck spart nichts aus und erspart dem Zuschauer nichts. Die junge Autorin, Jahrgang 1977, ist in der deutschen B�hnenlandschaft keine Unbekannte mehr. Sie ist Absolventin des Studiengangs Szenisches Schreiben an der Universit�t der K�nste in Berlin, jener hoch gelobten Talentschmiede, aus der so hoffnungsvolle Nachwuchsdramatiker wie Marius von Mayenburg, Bernhard Studlar, Dea Loher und Rebekka Kricheldorf hervorgegangen sind. "Mad in America" ist ihr viertes B�hnenst�ck. Die Urauff�hrung fand am 16. September 2004 in der Mainzer Studiobühne "TiC" statt, Regie f�hrte Wulf Twiehaus. Holger Dauer © TourLiteratur
/ Autor Eine gekürzte Fassung des Artikels ist zuerst unter dem Titel "Liebe, Spaß und der Fluch der Freiheit" in der "Allgemeinen Zeitung", Mainz (Theaterbeilage zur Saison 2004/2005) erschienen. |