Rezensionen > Dieter Paul Rudolph (Hg.): Krimijahrbuch 2006 |
Wer
z�hlt die Opfer, nennt die Namen?
Dieter Paul
Rudolph (Hrsg.): Krimijahrbuch 2006.
Da gibt es Rezensionen und Interviews, Selbstaussagen - wie die des englischen Shooting-Stars David Peace - und Portr�ts, kritische Ann�herungen an (kriminal-)literarische Ph�nomene - den fiktionalen Serienmord zum Beispiel -, zwei �u�erst launige Kritikerstammtische und am Ende 23 Nekrologe aus so aktuellem wie traurigem Anlass und jede Menge Tipps zu gerade erschienener Sekund�rliteratur. Wow - das klingt nun wirklich nach Arbeit. Allein: Nichts davon ist dem schwarz gewandeten Ergebnis der Plackerei anzumerken. Das kommt schnell in die G�nge und leicht daher, ist unterhaltsam, eloquent und zu 98 Prozent weit entfernt von jener Besserwisserei, die sich per eines eigens geschaffenen Begriffsapparates die Leser geschickt vom Leibe h�lt. Nein, dieses Buch k�nnen alle lesen. Und wer Krimis nicht nur verschlingen, sondern auch besser verstehen, einordnen und zueinander in Beziehung setzen m�chte, f�r den d�rfte es sogar ein veritables Muss darstellen, eine Orientierungshilfe, wie man sie sich nicht besser w�nschen kann. "Der Kriminalroman existiert als Massenware, der einige Klassiker einen hohen Bekanntheitsgrad verschaffen. Die Klassiker halten die Gattung zusammen ...", postuliert Franz Schuh auf Seite 116. Genauso ist es. Doch w�hrend man die Klassiker der Vergangenheit kennt, ist es f�r den um �berblick bem�hten Leser der Gegenwart nicht immer leicht, sich in der Vielzahl des Erscheinenden zurechtzufinden. K�nnen 50 Millionen Leser von Dan Brown irren? Nat�rlich k�nnen sie. Und hat meine Bekannte Recht, die mir den an sie ausgeborgten letzten Roman von Heinrich Steinfest mit den Worten "Das ist mir zu literarisch!" schon nach vier Tagen zur�ckgibt? Nat�rlich nicht! Damit sie den n�chsten Steinfest liest und den n�chsten Brown schneller durchschaut, braucht es so etwas wie einen Commonsense bez�glich der Gegenwartsliteratur, auch jener, in der gemordet und erpresst, hintergangen und beraubt wird, vielleicht sogar dieser ganz besonders. Denn immer noch gelten Kriminalromane als - �sthetisch-literarische - Leichtgewichte. Weder Haas noch Steinfest, nicht Vargas noch Hill, auch nicht die Schweden Nesser und Dahl haben daran wirklich etwas ge�ndert. Und f�r die etablierte Feuilletonkritik ist es nach wie vor kaum vorstellbar, dass sich ihre Vertreter �ber einen Roman - sie w�rden sagen: �ber einen Text! - von Friedrich Ani oder Astrid Paprotta beugen und in der Folge ihres Lekt�reerlebnisses auf der Stelle in Gnostiker und Emphatiker zerfallen. Das ist genau der Punkt, an dem ein Jahrbuch ansetzt. Schon ganz und gar, wenn es zur Institution wird. Zu einem j�hrlich wiederkehrenden Ereignis, auf das man sich freut. Dem man entgegenfiebert, weil man wisssen will: Was soll ich heuer lesen? Ist Anne Chaplet nicht kr�ftig �bersch�tzt? Was hat Jan Seghers f�r Pl�ne? Und wie bereite ich einen Fasan mit Esskastanien und �pfeln zu - ja, auch auf diese Frage gibt das neue Krimijahrbuch eine Antwort! W�nschen wir also dem Verleger f�r die Zukunft Gl�ck. Ein bisschen davon hat er schon gehabt - mit seinem Herausgeber. Aber ich f�rchte, das reicht nicht. Ein paar Leser sollten sich auch noch finden. Damit die Sache sich rechnet. Denn wenn sich Sachen f�r Verleger nicht rechnen, nimmt es meistens kein gutes Ende. Dann wird Band 2 nicht in Ljubljana gedruckt und gebunden, sondern �berhaupt nicht. Und das w�re wirklich schade. Ach ja, ehe Dieter Paul Rudolph an die Konzeption des n�chsten Jahrbuchs geht - ich f�rchte, der Krimi-Berserker ist l�ngst schon dran - noch zwei kleine W�nsche: eine Gliederung, die nicht �bers ganze Buch verteilt ist und ein Register der Namen und Werke. Ist das zuviel verlangt? Ich freu mich auf Band 2! Dietmar Jacobsen © TourLiteratur
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des Autors Dietmar Jacobsen: Buchcover: © NordPark Verlag, Wuppertal |