Rezensionen > Tykwer, Tom: Das Parfüm (Filmkritik) |
Warum
Kubrick gut daran tat, sich nicht zu trauen
Das Parfum,
Deutschland 2006
In diesem Sinne �berlegte ich w�hrend der Filmvorf�hrung, ob mir der Film vielleicht gefiele, wenn ich Patrick S�skinds Roman "Das Parfum" nicht oder wenigstens nicht so gut kennte, und ich versuchte, mich allein auf den Film als selbst�ndiges Werk zu konzentrieren, mich von seinen Bildern gefangen nehmen zu lassen. Das gelang mir leider nur streckenweise; ich gebe aber zu, dass die �berforderte Klimaanlage des Kinos sowie trotz eingangs erfolgter trickfilmischer Belehrung dudelnde Mobiltelefone dazu ihr �briges taten. Nat�rlich haben Eichinger und Tykwer mit dem "Parfum" ganz gro�es Kino gemacht, das handwerklich �berzeugt und beeindruckende Bilder von bl�hendem Lavendel, rothaarigen Sch�nheiten, fallenden Parf�mtropfen oder von der Br�cke st�rzenden H�usern liefert. Nat�rlich haben sie keine Kosten und M�hen gescheut, um uns mit zweifellos aufwendig gestalteten Dekoren, Kost�men und Masken in die wahlweise duftende oder stinkende Welt des 18. Jahrhunderts zu versetzen. Dennoch: Eichingers und Tykwers Version der Geschichte Jean Baptiste Grenouilles ging nicht an mich. Das liegt zum einen daran, dass die Story vom psychopathischen Duftgenie ja im Grunde ziemlich platt und an den Haaren herbeigezogen ist, was mir klar wurde, als ich mich bem�hte, nicht an das Buch zu denken. Das liegt auch daran, dass die visualisierte Story vom Duftgenie naturgem�� einiges Potential an unfreiwilliger Komik birgt, so sehr, dass Katja Nicodemus dem Film die Auszeichnung "Gro�es Nasentheater" zuerkannte ( DIE ZEIT Nr. 35, 24.8.2006). Schlie�lich liegt das auch daran, dass die Schnitte es dem Zuschauer kaum erlauben, in Ruhe seine olfaktorische Vorstellungskraft zu aktivieren. So viel zum Film als Film. Ansehnlich wohl, aber kein Meilenstein. Der Film als Literaturverfilmung freilich ist gr�ndlich misslungen. Das beginnt mit dem Hauptdarsteller Ben Whishaw, der zu seinem pers�nlichen Gl�ck, doch zum Ungl�ck des Films �berhaupt nicht wie eine "grenouille", eine Kr�te aussieht. Die ersten Einstellungen zeigen ihn im Gef�ngnis w�hrend seiner Verurteilung, also im letzten Teil der Geschichte. Damit gibt Tykwer der Handlung einen Rahmen, der Spannung erzeugt und den sp�teren Ausgang der Geschichte umso �berraschender erscheinen l�sst. Beliebter Trick auch in der Literatur, den S�skind in seinem Roman jedoch nicht n�tig hatte, da er den Bogen von Anfang an mit einem Detail spannt, das im Film erst sp�t erw�hnt wird, obwohl es f�r das Ende von entscheidender Bedeutung ist: Grenouille riecht nicht, er hat keinen Eigengeruch. Im Buch stellt das seine erste Amme fest, sie w�hnt den S�ugling daher vom Teufel besessen und bringt ihn ins Kloster. Diese hinrei�ende Szene haben Tykwer und Eichinger ausgespart, wie so einige andere. Besonders vermisst habe ich dabei den Marquis de la Taillade-Espinasse, der Grenouille nach dessen sieben Jahren im Berg f�r den Beweis einer schr�gen wissenschaftlichen Theorie benutzt und mithin eines der komischsten Beispiele literarischer Zivilisationskritik ist. Der Film f�gt der Geschichte aber auch Szenen hinzu, die es im Buch nicht gibt. Und schlie�lich ver�ndert er Szenen in entscheidender Weise: Der Tod des Mirabellenm�dchens wird auf der Leinwand als Versehen dargestellt, das Grenouille einen Augenblick zu bedauern scheint. Solche Regungen, f�r S�skinds Protagonist unbekannt, sowie auch die Musik verleihen der Verfilmung einen Hauch romantischen Kitsches, der in krassem Gegensatz zur Erz�hlhaltung des Buches steht. Und genau die ist es, die den Versuch, "Das Parfum" angemessen zu verfilmen, zum Scheitern verurteilt. Es wurde schon viel spekuliert, warum "Kubrick sich nicht traute" (Die Welt, 18.10.2005). Doch das Problem besteht nicht darin, dass Grenouille kein Sympath ist oder die Macht der Ger�che darzustellen mit Bildern noch schwieriger ist als mit Worten. Denn die ironische Distanz zur menschlichen Kultur, die S�skind in der Erz�hlung nicht zuletzt mit seiner Sprache und zahlreichen Zitaten zum Ausdruck bringt, ist noch viel schwieriger auf die Leinwand zu bringen. Tykwer hat es nicht einmal versucht. Oder war es Absicht, dass ich die bet�rten Massen am Ende nur zum Lachen fand? Wie dem auch sei: Das Wesen des Romans, dieses Klassikers des postmodernen Skeptizismus, findet im Film nicht die mindeste Entsprechung. Eichinger und Tykwer sind grandios gescheitert. Dennoch bin ich ihnen f�r diesen Film dankbar. Er f�hrt den ultimativen Beweis, dass ein gutes Buch jedem audio-visuellen Schnickschnack �berlegen ist, und sichert der Literatur so ihren kulturellen Stellenwert. Daf�r war kein Euro zu viel. Friderike Beyer © TourLiteratur
/ Autorin
"Das
Parfum" - Eine Inhaltsangabe bei ZDF.de © Buchcover: Diogenes Verlag, Zürich |