Rezensionen > Vittachi, Nury: Shanghai Dinner |
Vierter
Auftritt Mister Wong oder Von gelben Flüssen Nury Vittachi:
Shanghai Dinner. Der Fengshui-Detektiv rettet die Welt. Roman.
Also macht Wong, den merkantilen und sonstigen Verlockungen des aufstrebenden Marktes China folgend, ein neues B�ro auf. In Shanghai nat�rlich, der Boomtown des Landes, wo es an jedem einzelnen Tag des Jahres einundzwanzigtausend Baustellen gibt. Auf der einundzwanzigtausenundersten findet er sich dann allerdings selbst wieder. Statt reicher Kunden klopft pl�tzlich die Abrissbirne an die T�r. Und einige schlimme Dinge nehmen ihren Lauf. Wer die ersten Abenteuer des Fengshui-Detektivs kennt, wei�, dass Wong ohne seine junge Assistentin Joyce McQuinnie nur halb so vergn�glich und wahrscheinlich ein wenig trocken daherk�me. Mit 17 hat die Australierin bei ihm als Praktikantin angeheuert und seither s�mtliche F�lle mit ihm zusammen gel�st. Vom Temperament her k�nnten die beiden nicht unterschiedlicher sein und der ausgepr�gte Teenie-Slang, den Joyce bevorzugt, erschlie�t sich dem geldgeilen Geomanten nicht immer. Aber gerade das macht das merkw�rdige Duo so liebenswert wie unschlagbar. Inzwischen jedenfalls ist die Assistentin des Meisters 19 Jahre alt und ihr Interesse gilt vor allem dem gut gebauten Vertreter einer Shanghaier Umzugsfirma. Doch auch diese Neigung hilft schlie�lich bei der L�sung eines Problems von gigantischen Ausma�en. Nury Vittachi (Jahrgang 1958), der in Sri Lanka geborene, heute in Hongkong lebende Kultautor, hat bei den aktuellen Abenteuern seines einzigartigen Detektivs erneut nicht mit den Zutaten gegeizt. Da gibt es ein amerikanisch-chinesisches Gipfeltreffen, auf das ein Anschlag geplant ist. Vegane Terroristen sind in der Stadt und protestieren gegen die Zubereitung von lebendigen Tieren f�r die Gaumen von Feinschmeckern dadurch, dass sie letztere genau die Qualen sp�ren lassen, die auch die Tiere zu erleiden haben, bevor sie in die M�gen der Gourmets wandern. Ein alter, m�der, wei�er Elefant tritt seinen letzten Gang an, zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Und letzten Endes geht es auch um die Uiguren, ein heute knapp sieben Millionen z�hlenden Turkvolk im Nordwesten Chinas, das immer wieder durch seine Unabh�ngigkeitsforderungen f�r Unruhen sorgt. Dies alles wird erz�hlt mit einer Raffinesse, die sich sehen lassen kann. Geschickt sind die achtzehn Kapitel miteinander verzahnt, wird das bis hin zu den Nebenfiguren skurrile Personal platziert und miteinander in Ber�hrung gebracht. Und doch bleibt, bei aller Betontheit einer auf die finale Katastrophe zueilenden Handlung, viel Platz f�r geschichtliche und kulturhistorische Details, die mit leichter Hand �ber den Text ausgestreut sind und den Blick des Lesers weiten auf die inneren und �u�eren Widerspr�che einer nur f�r den Fremden exotischen Welt voller seltsamer Gebr�uche und schockierender Rituale. Im zweiten Teil des Buches geht es dann im wahrsten Sinne um Sekunden. Aber je weniger davon �brig bleiben, umso mehr scheint sich die Erz�hlzeit zu dehnen. Wir erleben sozusagen einen Sprint in Zeitlupe. Und w�hrend den Figuren st�ndig vor Augen steht, dass in gut 20, 19, 18, 17 ... Minuten alles vorbei sein k�nnte, sieht sich der Leser noch mehr als hundert Seiten gegen�ber, die er in dieser knappen Zeit bestimmt nicht schafft. Das ist ganz gro�artig - und irgendwie auch fengshuim��ig fern�stlich - gemacht: Der Unrast der Handlung entgegengesetzt wird die Ruhe des Lesens. Und wirklich kann uns ja nichts passieren. W�re die Welt von Wong nicht gerettet worden, k�nnten wir ja nicht dasitzen und von der wahnwitzigen Aktion genussvoll Kenntnis nehmen. Warum also sich eilen? Dass es am Ende gut ausgehen wird, verb�rgt ja schon die eigene Existenz im Augenblick der nachvollziehenden Lekt�re. Also langsam, sch�n langsam, denn so ein gut gew�rztes literarisches Men� bekommt man wei� Gott nicht alle Tage vorgesetzt. Dietmar Jacobsen © TourLiteratur
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des Autors Dietmar Jacobsen: Buchcover: © Unionsverlag, Zürich |