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Special: Rezensionsprojekt Winnweiler (2004) > Rezensionen > Elton, Ben: Tödlicher Ruhm

Copyright: Goldmann Verlag, MünchenDer Blick hinter die Kulissen
Ben Eltons Roman "Tödlicher Ruhm"

Ben Elton: Tödlicher Ruhm. Roman.
Aus dem Englischen von Jörg Ingwersen.
München: Goldmann Verlag 2003.
ISBN 3-442-45442-5
381 Seiten. EURO 9,50

Dieser Roman von Ben Elton gilt als einer der witzigsten und pointenreichsten Krimis überhaupt. Warum? Weil er kein durchschnittlicher, altbackener Who-Done-it-Rätselkrimi ist. Ben Elton verknüpft geschickt die Kriminalgeschichte mit einer Persiflage des modernen Medienbetriebs. Keine Frage! Auch dieser Roman Ben Eltons hat, wie auch seine letzten Werke "Abgefahren" und "Letzter Countdown", das Potential zum Bestseller. Worum geht es?

"Hausarrest" – die dritte Staffel einer britischen Reality-Show. Ein Haus, zehn Kandidaten, unzählige Kameras. Am Ende wird es nur einen Gewinner geben, der die Prämie von 500.000 Pfund kassiert. Die zunächst niedrigen Einschaltquoten steigen rapide an, als am 27. Tag Publikumsliebling Kelly mit einem Messer im Kopf tot auf der Toilette gefunden wird. Trotz der dreißig Kameras bleibt der Mörder unerkannt. Der konservative Hauptkommissar Coleridge wird mit dem Fall beauftragt. Auf dem Videoband des Mordtages sind keine aufschlussreichen Indizien zu sehen. Coleridge lässt sich von "Peeping Tom Production" alle ungeschnittenen Videobänder zukommen. Von nun an besteht seine Aufgabe lediglich darin, das Zusammenleben der "nervtötend[en] Bande" genauestens unter die Lupe zu nehmen.

Wer sind die zehn Kandidaten? David: ein selbstverliebter Schauspieler. Jazz und Garry beide provokant, Woggle, ein "stinkender, dreckiger" Anarchist. Dann ist da Hamish, ein unauffälliger Arzt, der auf die großbusige Kelly steht. Außerdem sind da noch Layla, Moon, die lesbische Sally und Dervla, eine geheimnisvolle irische Schönheit. Alle Kandidaten werden durch Geraldine Hennessy, der ehrgeizigen, geldgeilen Produzentin der Show, auf provokative Weise in Szene gesetzt. Diese zieht aus dem Mordfall nicht die logische Konsequenz die Show zu beenden. Sie wittert in dem Mord und den damit steigenden Einschaltquoten die Chance, das Geschäft ihres Lebens zu machen. Obwohl die noch übrig gebliebenen Kandidaten Todesängste ausstehen – der Mörder scheint ja unter ihnen zu sein – lassen sie sich durch Geld und Erfolgsversprechungen Geraldines zum Weitermachen animieren.

Coleridge scheint vor einem unlösbaren Rätsel zu stehen. Je mehr Viedeobänder er sich anschaut, desto mehr Motive jedes Kandidaten kommen zum Vorschein. Der Fall wird immer aussichtsloser und Coleridge verzweifelt an dem niedrigen Niveau und Intellekt der Kandidaten. Wer von diesen dummen, erfolgsgeilen Leuten hat das Potential einen Mord zu begehen? Alle haben Motive: War es etwa David, der von Kelly als Pornodarsteller entlarvt wurde und Gefahr lief, sein Gesicht zu verlieren? Oder vielleicht Garry, den Kelly als schlechten Vater bezeichnet hatte? Auch Dervla, die heimlichen Kontakt zur Außenwelt und somit zum Spielstand hatte, könnte die derzeit an Platz eins positionierte Kelly umgebracht haben. War es Sally, die "Psycho-Tusse", die bereits vor dem Mord einen Tathergang schildert, der exakt auf Kellys Mord zutrifft?

Der Hauptkommissar steht vor einem großen Problem. Die Zeit drängt, da die Show bald zu Ende sein wird. Danach würde der Mörder frei herumlaufen und seine Chance, ihn zu entlarven, wäre nur noch sehr gering. Er hätte dann versagt. Coleridge muss sich etwas einfallen lassen. Rein theoretisch könnte auch ein "Nicht-Kandidat" den Mord gegangen haben. Dies wäre zwar sehr unwahrscheinlich, aber auch in der "Außenwelt" lassen sich Motive finden: Ein Kameramann zum Beispiel, der krankhaft in die schöne Dervla vernarrt ist, hatte in der Mordnacht Dienst. Ist es ihm etwa gelungen, Kelly heimlich aus dem Weg zu räumen? Wollte er so seiner Angebeteten zum Sieg verhelfen? Auch Geraldine Hennessy hat ein Motiv: ihre Show ist sehr schlecht angelaufen. Es geht um Millionen. Der Mord hat ihr Millionen eingebracht. Ist die Produzentin so skrupellos und geldgierig? Kurz vor Ende der Show verdichten sich Coleridges Vielzahl von Indizien dennoch zu einem vagen Verdacht.

Der letzte Tag ist gekommen. Coleridges letzte Chance. Dazu bereit, sich möglicherweise vor Millionen von Zuschauern lächerlich zu machen, tritt er an der abendlichen Abschlussparty selbst auf die Bühne, um dem Täter eine Falle zu stellen.

Ben Elton wechselt in seinem Buch geschickt zwischen Gegenwart und Vergangenheit. In der Gegenwart werden vor allem die Ermittlungen des konservativen, engstirnigen Hauptkommissars und dessen Charakter beschrieben.

"Vor mehr als zwei Generationen stand die gesamte Bevölkerung diese Landes im Schatten einer drohenden brutalen Besatzung durch eine Bande mörderischer Nazis! Eine Generation vorher haben wir eine Million kleiner Jungs in den Schützengräben verloren. Eine Million unschuldiger Knaben. Jetzt haben wir 'Therapeuten', die das 'Trauma' studieren, aus einer Fernsehshow geworfen zu werden."

Die Vergangenheit hingegen zeigt das Zusammenleben der modernen, niveaulosen und simplen Kandidaten. Somit zeigt der Autor den Kontrast innerhalb der Gesellschaft gegenüber Reality-Shows. Klar: der Schluss des Buches ist etwas langatmig. Da die Spannung aber während des gesamten Buches immer auf hohem Niveau gehalten wird, tut dies dem Buch keinen Abbruch. Der Leser will nicht länger auf die Folter gespannt werden und kann das Buch auch hier nicht aus der Hand legen. Ben Eltons scharfsichtige Persiflage des Medienbetriebs verleiht dem Leser Einblick in die Methoden der Reality-Show-Produzenten: Man ist regelrecht schockiert, wie skrupellos die Manipulation der Kandidaten durch geschicktes Zusammenschneiden der Videoaufnahmen vorangetrieben wird. Der Autor verdeutlicht uns, dass das, was wir im Fernsehen sehen, nur eine schon vorher von den Produzenten verfasste Story ist, die keineswegs der Wahrheit entspricht.

Und wer sollte dieses Buch lesen? Der Roman spricht keine spezielle Zielgruppe an. Für jeden, der auf Reality-Shows abfährt und mehr darüber erfahren möchte, lohnt sich das Buch auf jeden Fall.

Andreas Finger, Onur Kirik, Patrick Mörsch, Christian Wagner

© TourLiteratur / Autoren
Alle Rechte vorbehalten
Buchcover: © Goldmann Verlag, München

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