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Die
Uhr tickt auf 12 Nick McDonell:
Zwölf. Roman.
So die Anfangsworte in Nick McDonells Erstlingswerk "Zwölf", das ein aktuelles Thema behandelt: Drogen. Doch im Gegensatz zu üblichen Drogengeschichten ist hier der Protagonist clean. White Mike hat noch nie etwas genommen, noch nicht einmal Alkohol versucht. Dennoch ist er der zur Zeit angesehenste Dealer in der High Society. Der Roman beschreibt die Zeit vor Silvester, als sich jeder für die Parties mit dem dafür nötigen Stoff eindeckt. Es werden die Schicksale der folgenden Personen durch Momentaufnahmen dargestellt und später verknüpft. White Mike, dünn, blass, weißblond, intelligent und Nietzsche-Anhänger, depressiv aufgrund des frühen Todes seiner Mutter, gekleidet in Jeans und einem langen schwarzen Mantel – ein bekanntes Bild für die High-Society-Nachkommen von New York. Denn diese sind White Mikes Kunden: Er ist die erste Adresse, wenn es um (außergewöhnliche) Drogen geht. Vor allem in der Zeit vor Silvester, als es auf die Silvesterparty zugeht, bei der jeder erscheinen muss, der etwas auf sich hält. White Mike lässt das alles kalt, denn er ist clean und vertickt die Drogen nur aus Langeweile – eben die Langeweile die die anderen dazu treibt, die Drogen zu nehmen. Doch im Gegensatz zu den anderen haben die Drogen für White Mike noch einen positiven Nebeneffekt – Geld. Dieses lässt sich vor allem mit seiner neuesten Droge – "Zwölf" genannt – gut verdienen, denn das weiße Pulver wirkt "ähnlich wie Koks, eher wie Ecstasy, dann ganz anders", so eine seiner Stammkundinnen, Jessica. Jessica ist das wohl abschreckendste Beispiel für Junkies im Verlauf der Story, denn spätestens, wenn sie eine Talkshow mit ihren Kuscheltieren abhält oder sich vor dem Spiegel selbst versichert, wie toll sie ist und dass ihre Augen die Stärksten sind, denkt man noch mal darüber nach, ob man auch so enden will. Doch es werden nicht nur White Mikes Drogengeschäfte und seine Klienten beschrieben, sondern auch noch seine Freunde. So zum Beispiel Hunter, der unschuldig wegen Mordes hinter Gittern sitzt, oder Molly, White Mikes "Jugendliebe", die nichts von dessen Machenschaften als Dealer ahnt. Andrew, der nach einem Unfall auf der Eisbahn, bei welchem ihm Jessica (hier fängt die Verknüpfung der einzelnen Handlungsstränge schon an) mit dem Schlittschuh über den Kopf gefahren ist, im Krankenhaus liegt, lernt dort Sara Ludlow kennen. Sara Ludlow, berechnend, gleichgültig, egoistisch. Intrigant. Ihr ist die Organisation der Silvesterparty zu verdanken, ihre Party, ihr Name, ihr Image, jedoch nicht mit ihrem Geld und nicht in ihrem Zuhause, sondern in dem von Chris. Ihn hat sie dazu überredet, in seiner sturmfreien Villa die Party, natürlich auf seine Kosten, auszurichten. Sara ist ein Beispiel für den Aspekt in McDonells Buch, der auf die Verkommenheit, die absolute Gleichgültigkeit, die Gefühllosigkeit der heutigen Gesellschaft anspielt. Ein anderes Beispiel dafür: Claude, der Bruder von Chris, fanatischer Liebhaber von Piranhas und Waffen jeglicher Art, ob Uzi oder Katana, Hauptsache tödlich. Am Anfang ganz lustig, wenn man über seine Art der Langeweile-Bekämpfung liest (denn er nimmt keine Drogen mehr), dann eher Kopfschütteln auslösend und zu guter Letzt: Schock! Denn Claude ist maßgeblich am Ausgang der Geschichte beteiligt, an dem alle einzelnen Handlungsstränge zusammengeführt werden, es treffen sich alle Personen, die im Verlauf der Story eine einzelne, unabhängige Geschichte hatten. Jeder kannte jeden, wusste jedoch eigentlich nichts von ihm wie sich herausstellt. Bis zu dieser Party! Chaos ist also vorprogrammiert, jedoch nicht dieses liebenswerte Chaos, welches für gewöhnlich ein Schmunzeln provoziert. Ein Buch, "schnell wie Speed, rasant wie Acid" (New York Times), unserer Meinung nach jedoch nur gut zur Unterhaltung, gut lesbar und leicht verständlich, allerdings nichts Besonderes. Positiv hingegen sind uns die ironischen Elemente aufgefallen, zum Beispiel die Rückblicke auf White Mikes bisheriges Leben oder die Hinweise auf das Desaster am Schluss, das Zerreißen von White Mikes Mantel, der ja eigentlich Teil seiner Persönlichkeit darstellt. Es wird Nick McDonells anscheinend zynische Lebenseinstellung deutlich, er beschreibt die Blindheit der Gesellschaft, jeder lebt sein Leben mit anderen, ohne diese zu kennen. Also teilweise auch zum Denken anregend. Denn das ist es: schockierend für diejenigen, die sich das Leben mit Drogen nicht vorstellen können, und dadurch einen kleinen Einblick gewinnen, und abschreckend für diejenigen, die mit dem Gedanken an Drogen zur Problembewältigung spielen. Denn dieses Buch macht klar: Drogen schaffen nur Probleme! Gut vorstellbar ist nun auch, weshalb dieses Buch bis in den Himmel gelobt worden ist, denn heutzutage ist ja alles, was gegen Drogen spricht oder sonst einen erzieherischen Effekt mit sich bringt, hoch angesehen, da in unserer Gesellschaft jede andere Form von Erziehung weitgehend ausbleibt. Katharina Klein, Michelle Klein © TourLiteratur
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