"Tierlaute
Wer wollte das aufschreiben"
Tatort Geschichte in Heiner Müllers "Mommsens Block"
Von
Benedikt Descourvières
I. Einleitung
Als das neunseitige Langgedicht "Mommsens Block" von Heiner Müller
1993 in der vom Berliner Ensemble herausgegebenen Publikation "Drucksache"
erschien [1], war es nach längerer Pause die erste
literarische Publikation des wohl avanciertesten deutschprachigen Schriftstellers
der Gegenwart. Das Langgedicht thematisiert die Hemmung des Geschichtsprofessors
Theodor Mommsen (1817 - 1903), sein Standardwerk "Römische Geschichte"
um einen weiteren Band zu ergänzen. Die bisherige wissenschaftliche Rezeption
von "Mommsens Block" konzentriert sich auf die Dekodierung der zahlreichen
historischen Anspielungen im Text - das "Abschiedssaldo der Zitate"
[2] - und die naheliegende Parallele zwischen Mommsens
und Müllers Schreibhemmung. [3] Helmut Fuhrmann
diagnostiziert eine mit dem Ende der 80er Jahre einsetzende "anhaltende
Schaffenskrise" bei Müller, die "zugleich eine tiefe Existenzkrise
darstellte" [4].
Tatsächlich
liest sich "Mommsens Block", der "letzte große Text, den das
Publikum zu seinen [Müllers] Lebzeiten kennenlernen konnte" [5],
als resignierender Parforceritt durch Schlachten, Massaker, Ausbeutung,
Unterdrückung und Enttäuschung. Wegen der Geschichte, die im Sinne einer
Entwicklung humanen Daseins für alle nicht stattgefunden hat und nicht
stattfindet, entstehen Schreibhemmung und intellektuelle Produktionsverweigerung
als Ausdruck von Enttäuschung. Die Hemmung aktiver, offener und produktiver
Tätigkeit wird am Beispiel des nie erschienenen IV. Bandes der "Römischen
Geschichte" des berühmten Historikers Theodor Mommsen vorgeführt. Ein
nur fragmentarisch lesbarer Ich-Erzähler geht der Frage nach, warum der
Historiker Mommsen sein anerkanntes Standardwerk nicht um den vermeintlich
fehlenden Band über die Kaiserzeit ergänzt und abgeschlossen hat, da die
ersten drei Bände lediglich den Zeitraum der Entstehung und Entwicklung
der römischen Republik behandeln. Der IV. Band über die Kaiserzeit wurde
zwar häufig angekündigt und lange erwartet, er erschien jedoch nie. [6]
Die Bände I-III erschienen erstmals 1854-1856, ein Band V 1888. Nach Mitschriften
aus den Vorlesungen Mommsens gaben Barbara und Alexander Demandt 1992
eine "Römische Kaisergeschichte" Mommsens heraus. Neben der "Römischen
Geschichte" verfasste Mommsen als zweites Standardwerk das 1887/88 erschienene
dreibändige "Römische Staatsrecht" sowie zahlreiche Einzeluntersuchungen
und Quellenarbeiten, unter denen die ab 1893 erscheinende Inschriftensammlung
"Corpus Inscriptionum Latinarum" die bedeutendste ist.
"Mommsen
hat mit [seinem Werk] schon vor seinem Tod ein Kenotaph errichtet und
den Traum eines jeden Historikers verwirklicht: Das Werk steht seitdem
für seinen Autor." [7]
Neben den
zahlreichen Anspielungen auf historische und politische Begebenheiten
soll hier eine Lesart des hermetischen Müller-Textes demonstriert werden,
die über die textexterne Referenz der einzelnen Textzeichen hinaus die
ästhetische Sprengkraft auf der Grundlage der Textstrukturen diskutiert.
II. "Für
wen sonst schreiben wir/ Als für die Toten": Die Arbeit an der Geschichte
In "Mommsens Block" lässt sich Geschichte als Komplex von Inhaltsmerkmalen
darstellen, die eine destruktive und gehemmte Bewegung repräsentieren.
In der Auseinandersetzung mit Geschichtsschreibung und ihrem Gegenstand
ähnelt das interpunktionslose Langgedicht einer Veranschaulichung dessen,
was sich der Geschichtsschreibung als Geschichte darstellt, da historische
Vorwärtsentwicklung ausbleibt; dies sind Katastrophen, Gewalt und Zerstörung.
Als dominante Inhaltsmerkmale des Textes fallen ,
und auf, die mit der Einsicht in
die Absurdität der Anstrengung, das, was sich als Geschichte darstellt,
über Geschichtsschreibung zu tradieren, korrespondiert:
"Kein
Verlaß auf die Literatur INRTIGEN UND / HOFKLATSCH Selbst die silbernen
Fragmente/ Des lakonischen Tacitus nur Lektüre für Dichter / Denen die
Geschichte eine Last ist/ Unerträglich ohne den Tanz der Vokale / Auf
den Gräbern gegen die Schwerkraft der Toten" (S. 257)
Wozu
also Geschichtsschreibung? Die für die Geschichtsschreibung greifbaren
gesellschaftlichen Verhältnisse zeichnen sich durch eine destruktive,
zirkulare und negative Bewegung aus, die keine offene und produktive Entwicklung
zulässt. Die Wahrnehmung von Geschichte als einer unheilvollen Bewegung,
die keine schriftliche Manifestation verdient, wird durch die Inhaltsmerkmale
,
und nachhaltig verstärkt. In diesem Gewaltszenario,
das "die bisherige Geschichte als Kontinuum anhaltender Katastrophen"
[8] darstellt, treten die Subjekte völlig hinter
non-personalen Akteuren wie Krieg, Trümmern, Massakern, Verrat, Geheimdiensten,
Machtwillkür, Einschaltqoten und Kapital zurück und wirken als Handlanger
in anonymen Strukturen. Sie erweisen sich als belanglos und austauschbar,
so dass die Gesprächspartner im Dialog über kapitalistische Geschäftspraktiken
als namenlose "Lemuren des Kapitals" (S. 262) fungieren, durch die
der Akteur Kapital beschrieben wird. Die subjekt- und geschichtskritische
Perspektive wird durch die Demaskierung der "Helden der Neuzeit"
(S. 262) als "Lemuren" zusätzlich akzentuiert: Die vermeintlich handlungs-
und geschichtsmächtigen Helden sind zu Lemuren geworden, unfähig zum subjektiven
Handeln. In dem historischen Zustand der destruktiven Bewegung hebt der
Text drei einzelne Akteure besonders hervor: den Historiker Mommsen, den
Ich-Erzähler und Johannes auf Patmos. Der Ich-Erzähler und Mommsen stehen
formal in einem Dialogverhältnis, das es eigens zu untersuchen gilt. Johannes
auf Patmos ist mit Eigenschaften ausgestattet, deren eine - diejenige
des "Totenführers" - auf einen weiteren Akteur verweist, auf die
Toten. Es sind die Toten, für die gehandelt werden muss. Das Geschick
der Toten ist an die Geschichte der Lebenden gebunden:
"Für
wen sonst schreiben wir
Als für die Toten allwissend im Staub
[...]
Das Vergessen ist ein Privileg der Toten". (260)
Da sich die
Geschichte der Lebenden aber nicht auf einen Glückszustand aller zu bewegt,
kommen die Toten nicht zur Ruhe. Die nicht stattfindende Vorwärtsbewegung
der Geschichte verwehrt den Toten der Geschichte eine nachhaltige Rehabilitation
durch die Politik der Lebenden. Die Toten als Opfer und Repräsentanten
geschehenen Unrechts bleiben angesichts ausbleibender Rehabilitation durch
die historische Entwicklung zur 'ewigen Wiederkehr' und damit zu einer
zirkularen Bewegung gezwungen, die nicht zur Befreiung führt.
"Und
ihre [der Toten] Angst vor der ewigen Wiederkehr" (S. 257).
Die 'angstvolle
Wiederkehr' enthält sowohl das Moment der mahnenden Erinnerung an begangenes
Unrecht als auch das Angstmoment hinsichtlich der Konfrontation mit der
ungebrochen wirksamen Gewaltgeschichte. Die Toten führen wieder zurück
auf den vom Text als ausgesprochen widerständig ausgewiesenen Akteur:
"Nur
Johannes auf Patmos im Drogenqualm
Der Ketzer der Totenführer der Terrorist
Hat das Neue Tier gesehn das heraufkommt" (S. 258).
Johannes
auf Patmos ist durch die Lexeme /Ketzer/, /Totenführer/ und /Terrorist/
in dreifacher Weise mit Qualitätenn ausgestattet, die allesamt eine Praxis
der Auseinandersetzung mit den bestehenden Verhältnissen der destruktiven
gesellschaftlichen Bewegung bezeichnen.
An der Sequenz
über Johannes auf Patmos lässt sich die Spannung zwischen dem Sehen des
'Johannes im Drogenqualm' und der Gefahr des 'Neuen Tieres' als der entscheidende
Widerspruch zwischen dem erkennenden Sehen der Gewaltgeschichte und dem
Anerkennen der Gewaltgeschichte als wahre Geschichte lesen. Nicht der
Gegensatz von ruinöser Geschichte und deren leidenschaftsloser historiographischer
Tradierung, sondern derjenige zwischen einer gehemmten Bewegung und deren
Erkenn- und Veränderbarkeit entdeckt sich der kritischen Lektüre als entscheidende
ästhetische Spannung im Text.
III. Christentum
und Sozialismus als Utopien einer historischen Vorwärtsentwicklung
In der unten zitierten zentralen Textpassage zu Johannes auf Patmos bilden
die mit dem Akteur Johannes verknüpften Inhaltsmerkmale den Kontrapunkt
zu einer geschichtlichen Bewegung bzw. Nicht-Bewegung des Christentums,
die kunstvoll und vielschichtig mit der Bewegung des Sozialismus verknüpft
wird:
"EIN
KÖHLERGLAUBE
FÜR GRAFEN UND BARONE das Christentum
Eine Baumkrankheit von der Wurzel her
Ein Krebs unterwandert von Nachrichtendiensten
Die zwölf Apostel zwölf Geheimagenten
Der Verräter liefert den Gottesbeweis
Und das Firmenzeichen Saulus ein kolonisierter
Bluthund spielt den Part des Sozialdemokraten
Paulus geworden durch einen Sturz vom Pferd
Und Leithammel des Unbekannten Gottes
Dem er die Schafe ins Gehege lockt
Zur Selektion Heil oder Verdammnis
Nur vor den Würmern sind die Toten gleich
Ein Polizeispitzel der erste Papst
Nur Johannes auf Patmos im Drogenqualm
Der Ketzer der Totenführer der Terrorist
Hat das Neue Tier gesehn das heraufkommt" (S. 258f.).
Wie der gesamte
Text enthält dieses Zitat zahlreiche Anspielungen auf die historischen
Bewegungen des Christentums und des Sozialismus, die sich mit entsprechendem
zusätzlichem Wissen auch als solche lesen und verstehen lassen. Aus diesem
Grund seien im Folgenden die Schritte und Ergebnisse einer historisch-biographischen
und der textanalytisch-kritischen Lektüre einander gegenübergestellt.
"EIN
KÖHLERGLAUBE / FÜR GRAFEN UND BARONE das Christentum / Eine Baumkrankheit
von der Wurzel her" kann auf den in seinen Vorlesungen häufiger geäußerten
Vorwurf Mommsens zurückgeführt werden, das Christentum habe die Umbruchsstimmung
in der römischen Kaiserzeit zur Konstituierung eigener Ordnungs- und Machtstrukturen
missbraucht, statt die freiwerdende Energie zur Stärkung des römischen
Staats- und Kulturapparates einzusetzen. [9] Zu
dem Vorwurf Mommsens, das Christentum habe den römischen Staat unterminiert
und damit verraten, lässt sich über den kommunistischen Vorwurf an die
Sozialdemokratie, die deutsche Revolution 1918/19 verraten zu haben, eine
Parallele zur sozialistischen Bewegung ziehen. [10]
An
einer anderen Textstelle wird Köhlerglaube im Kontext der Sozialismus-Thematik
nochmals genannt: "Gerade jetzt vom vermuteten Unrat des neuen /
Köhlerglaubens nicht für Grafen und Barone" (262). In zwei Punkten fallen
hier Unterschiede auf: Der real existierende Sozialismus wird ebenso wie
das Christentum als "Köhlerglaube" [11] bezeichnet,
aber erstens nicht für die Herrschenden, und zweitens ist der neue
Köhlerglauben des Sozialismus nicht in festen, blockartigen Großbuchstaben
typographisch hervorgehoben.
Die "zwölf
Apostel zwölf Geheimagenten" agierten versteckt und bedienten sich der
zeitgenössischen philosophischen und politischen Diskurse, um ihre Lehre
zu verbreiten. Dem 'Verräter, der den Gottesbeweis liefere', können die
Figuren des Judas Iskariot und des sozialdemokratischen Reichswehrministers
Gustav Noske zugrundeliegen. Judas hatte mit seinem Verrat nicht nur das
prophetische Zukunftswissen Jesu hinsichtlich seines Verrates bestätigt,
sondern auch die Vorstellung göttlicher und menschlicher Überwindung des
Todes ermöglicht. Als "Volksbeauftragter für Heer und Marine" zwischen
1918/19 und als "Reichswehrminister" zwischen 1919/20 organisierte
Noske die repressive und militärische Niederschlagung der sozialistischen
und kommunistischen Aufstände zu Beginn der Weimarer Republik. Seine 'Politik
der eisernen Faust', die ihm den Vorwurf einbrachte, die deutsche Revolution
1918/19 und die Arbeiterschaft verraten zu haben, diente der mehrheitssozialistischen
Regierung unter ihrem Reichspräsidenten Friedrich Ebert dazu, gegenüber
den alten Herrschaftseliten der Monarchie und gegenüber der Bevölkerung
den Beweis sozialdemokratischer 'Regierungstauglichkeit' zu erbringen.
Auch
die Nachrichten "kolonisierter Bluthund" und "Part des Sozialdemokraten"
können als Anspielungen auf die Rolle der Mehrheitssozialisten zu Beginn
der Weimarer Republik gelesen werden. Noske soll sich selbst als Bluthund
bezeichnet haben, ihm wird die Äußerung zugeschrieben: "Einer muß
der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht." [12]
"Kolonisiert" ruft zudem den Sturz des Saulus vom Pferd in Erinnerung.
[13] Die Apostelgeschichte berichtet von dem jüdischen
Schriftgelehrten Saulus, der zu den energischsten Verfolgern der jungen
christlichen Glaubensgemeinschaft zählte, wie es in dem Bericht über die
Steinigung des Stephanus deutlich wird. [14] Nach
der Überlieferung der Apostelgeschichte wurde Saulus während einer Reise
derart stark von grellem Licht geblendet, dass er vom Pferd stürzte und
vorübergehend erblindete. Nach diesem Sturz avancierte der Christenfeind
Saulus unter seinem griechisch-römischen Namen Paulus [15]
zum zentralen Koordinator der voranschreitenden Institutionalisierung
der jungen christlichen Bewegung, die er über spezifische Normen und Praktiken
definierte. Als "depotenzierte Kraft" [16],
die sich einer Zähmung unterworfen hat, ist Paulus ebensowenig wie der
Sozialdemokrat Noske an einer radikalen Veränderung der Verhältnisse,
sondern nur an der Sicherung der bestehenden Ordnung interessiert. Paulus
und Noske können als Personifikation der Depotenzierung revolutionärer
Kraft bezeichnet werden, da sie den Elan junger und radikaler Bewegungen
zugunsten eines Denkens in Hierarchie, Ordnung und Integration gebrochen
haben: "Die geschwächte Kraft dagegen ist nur noch am status quo
interessiert, tendiert also zur Sozialdemokratie." [17]
"Ein
Polizeispitzel der erste Papst" spielt auf die Verleugnung von Simon Petrus
wie von Stalin an. Beiden kann die Rolle „Papst" zugeschrieben werden,
da sich mit beiden Personen Merkmale wie ,
und verbinden. Ebenso handelten
beide als Spitzel: Simon Petrus beginnt sein Papstamt mit einer Verleugnung,
da er, von dem es heißt, dass er der Felsen sei, auf den Jesus seine Kirche
aufbauen will [18], seinen Freund Jesus in dem
Moment, als das Bekenntnis zu Jesus gefährlich ist, dreimal verleugnet.
[19] Stalin hat vermutlich Mitgefangene als vermeintliche
Polizeispitzel denunziert. [20] Das für Paulus
beschriebene Ziel, die Schafe ins Gehege zu locken, "Zur Selektion
Heil und Verdammnis" verweist sowohl auf die kirchliche Gnadenlehre als
auch auf das von Müller selbst häufig thematisierte kapitalistisch-faschistische
Selektionsprinzip, das dem "kommunistische[n] Grundsatz KEINER ODER
ALLE" [21] diametral entgegenstehe. Selektion
steht nicht nur für die gewaltsame Durchsetzung eines fundamentalistischen
Wahrheitsanspruches, sondern auch für ein Leben und Überleben angesichts
systematischer Vernichtung. Die Selektionsrampen in den nationalsozialistischen
Vernichtungslagern haben dies drastisch vor Augen geführt; Müller hat
mehrmals eine Verbindung zwischen Kapitalismus, Selektion und Auschwitz
hergestellt:
"Das
Grundthema der Linie Dostojewski-Kafka-Faulkner ist die Selektion: Auschwitz
als das letzte Stadium der Aufklärung." [22]
Mit Johannes
auf Patmos spielt der Text auf den Autoren der Johannes-Apokalypse, der
mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mit dem 4. Evangelisten identisch ist,
an. Zu Beginn seiner apokalyptischen Schrift stellt sich der Verfasser
vor:
"Ich,
euer Bruder Johannes, der wie ihr bedrängt ist, der mit euch an der
Königsherrschaft teilhat und mit euch in Jesus standhaft ausharrt, ich
war auf der Insel Patmos um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses
für Jesus." [23]
Vieles spricht
für die Annahme, dass Johannes als bekennender Christ in Konflikt mit
den römischen Behörden geriet und nach Patmos deportiert wurde. In seiner
Verbannung auf Patmos verfasste er die Johannes-Apokalypse als Staatskritik,
in der er die von ihm gesehenen, d.h. erkannten Zusammenhänge zwischen
der Messiasgeschichte und der Weltgeschichte in einer komplexen Bildsprache
kodierte. In seiner Schrift bezeichnet sich Johannes mehrmals als "Knecht"
und als "Prophet" [24], näheres zur Person
des Johannes ist nicht bekannt. Der materialistische Philosoph und Kulturhistoriker
Friedrich Engels betont die deutlich lesbare Ideologiekritik der Offenbarung
und tritt der verbreiteten Auffassung entgegen, bei der Apokalypse handle
es sich um änigmatische Spekulationen über die Endzeit:
"Nehmen
wir z.B. unser Buch der Offenbarung, von dem wir sehen werden, dass
es, statt das dunkelste und geheimnisvollste zu sein, das einfachste
und klarste Buch des ganzen Neuen Testaments ist." [25]
Eine
intertextuelle Referenz wird mit der Inhaltsmerkmal
deutlich. Die 'Toten' spielen in Müllers Texten eine entscheidende Rolle.
In Müllers Verständnis von Geschichte gibt es keine Alternative zu der
Verpflichtung, den erschlagenen, ermordeten, geknechteten, gedemütigten
und zerschundenen Opfern der menschlichen Gewaltgeschichte Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen. Die politische Praxis müsste demzufolge in der
Gestaltung der gesellschaftlichen Existenzbedingungen die zentrale Erfahrung
einfließen lassen, dass bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse Gewaltverhältnisse
sind, die Menschen zu Opfern machen. Solche Gewaltverhältnisse gilt es
aufzulösen, um die Toten historisch zu rehabilitieren. Bleibt das Eingedenken
der Toten als Opfer menschenverachtender Existenzbedingungen aus, übt
Politik nach Müller Verrat an den Toten. Es ist der Verrat an den Toten
durch die Lebenden, den Müller in vielen seiner Texte problematisiert:
"Statt
in der politischen Praxis 'befreit', werden die Toten der Geschichte,
die allein im Gedächtnis der Überlebenden fortleben und sich nicht mehr
nachhaltig [...] in Erinnerung bringen können, ein zweites Mal und damit
endgültig verraten." [26]
Dem 'Verrat
an den Toten' setzt Müller in seinen Texten das Gespräch mit den Toten
entgegen, die er in der ästhetischen Wirklichkeit seiner Literatur zum
Sprechen einlädt; die Lektüre seiner Texte kann und soll dazu beitragen,
die Perspektive eines Eingedenkens der Toten zu gestalten und zu bewahren,
statt diese dem Vergessen zu überlassen:
"Immer
geht es um das Benennen historischer Erfahrungen - poetische Rückerinnerung
wird zur Voraussetzung weiterzuleben." [27]
Dieses politisch
wie ästhetisch zentrale Moment für Müllers Textproduktion greift auf Walter
Benjamins 'Eingedenken', das er in seinen geschichtsphilosophischen Thesen
anmahnt, zurück:
"Hauptmotiv
in Benjamins Geschichtskonstruktion ist die [...] auch von Müller emphatisch
betonte, Rettung der Toten, ihr Eingedenken und ihre Erlösung durch
den Messias [...]." [28]
Erinnern
und Eingedenken markieren die entscheidenden Ausgangspunkte der
ästhetischen Praxis Müllers, die bei aller Skepsis und trotz der vermeintlichen
postmodernen Katastrophen- und Endzeit-Stimmung ein Handeln zu provozieren
sucht, das sich gegen Vergessen, Harmonisieren und Gleichgültigkeit stemmt.
Trotz des Müller häufig unterstellten Geschichtspessimismusses [29]
vertritt er eine Utopie, und zwar im Bereich des vorstellbaren Abwesenden:
in der Vorstellung einer weltweiten Gerechtigkeit. Deshalb verweisen Klage
und Trauer bei Müller immer auch auf Hoffnung:
"Solange
es Universalgeschichte nicht gibt, das heißt, eine globale Chancengleichheit,
und das heißt für mich Kommunismus oder anders gesagt: Solange die Freiheit
mit der Gleichheit bezahlt wird und umgekehrt, wird es immer wieder Situationen
geben, wo Überleben Verrat an den Toten ist und auf der anderen Seite
die Bejahung des eigenen Todes eine politische Notwendigkeit. Wenn das
utopisch ist, umso schlimmer für die Wirklichkeit." [30]
IV. "Das
Vergessen ist ein Privileg der Toten": Erkennen und Verändern als Utopie
Geschichte
stellt sich als ein blutiger, zerstörerischer Prozess dar, der den einzigen
Sehenden, Johannes auf Patmos, als "Ketzer", als "Terrorist"
und als "Totenführer" diffamiert. Zwischen den "Trümmern" der
Geschichte und ihrem "vermuteten Unrat" einerseits und dem schauenden
Johannes andererseits führt ein Aufschluss gebender Widerspruch zur Möglichkeit
einer offenen, produktiven Bewegung, die erkannt und gestaltet werden
kann. Johannes auf Patmos im Drogenqualm repräsentiert die Hoffnungsoption
des 'In-Bewegung-Setzens des Unbewegten', aber solange Geschichte nur
Zerstörung, Katastrophen und Unmenschlichkeit produziert, fungiert er
nicht als Rebellen-, sondern als Totenführer. Mit Johannes auf Patmos
tritt ein für die Toten notwendiges Element auf: Der von den Toten vertretene
universale historische Anspruch auf Gerechtigkeit hängt vom Eingedenken
der Lebenden ab. Das Eingedenken der Toten durch die Lebenden soll dann
zur Auflösung der Widersprüche, mithin zu einer politisch-gesellschaftlichen
Tat führen.
"Auf
der Überzeugung beharrend, dass der Eintritt in eine qualitativ neue
Phase von Geschichte den Unterdrückten der ganzen bisherigen Geschichte
verpflichtet sein müsse, kann der Ausbruch aus dem Kontinuum des geschichtlichen
Prozesses nur im Namen aller Toten, aller Generationen Getöteter gedacht
werden - oder gar nicht." [31]
Die
Begriffe Ketzer, Totenführer und Terrorist qualifizieren Johannes auf
Patmos als aufrührerisch und politisch aktiv, auch wenn dies unter bestimmten
gesellschaftlichen Bedingungen nur eingeschränkt möglich ist. So handelt
es sich bei Johannes auf Patmos auch nicht um einen passiven Verwalter
von Opferstatistiken und Todeskarteien, sondern um einen aktiven Anführer
der Toten, einen Strategen der Gerechtigkeit. Johannes ist die Rolle des
Sehenden zugeschrieben, dessen Reflexion des gesehenen 'Neuen Tiers' einen
Akt widerständigen Wahrnehmens und Denkens darstellt. Der Drogenqualm
lässt sich als Zeichen für eine sich frei entwickelnde Bewegung oder für
einen besonderen Modus der Wahrnehmung oder für einen auch tarnenden Selbstschutz
lesen, wohingegen etwa das Lexem /Köhlerglaube/ mit der Konnotation Köhlerfeuer
als gehemmte und 'kolonisierte' Bewegung beschreibbar ist. Die mit Johannes
auf Patmos verbundenen Qualitäten des Sehens einer Gefahr, einer besonderen
Wahrnehmung und einer Schutzstrategie stehen als bewegtes Handeln der
destruktiv-zirkularen Bewegung geschichtlicher Zerstörung entgegen. Textuell
ermöglicht Johannes den entscheidenden Zugriff auf das tiefenstrukturelle
Inhaltsmerkmal der offenen Bewegung in diesem vermeintlich düsteren Text.
Er muss der kritischen Textanalyse als Aufschluss gebender textueller
Ort und nicht als Widerspiegelung eines politischen Antihelden, wie Horst
Domdey ihn liest, gelten:
"Das
historische Subjekt reduziert sich auf einen Johannes der Drogenszene,
der den Mund voll nimmt und so tut, als käme ein Heiland, der die Welt
vom Kapitalismus befreit." [32]
Johannes
auf Patmos realisiert als Merkmalskomplex gänzlich andere Inhaltsmerkmale
als die tradierte Geschichte. Ihn in die empirische Figur eines Junkies
zu verwandeln und ihm Inhaltsmerkmale zuzuschreiben, die keine Entsprechung
im Text finden - er nimmt den Mund nicht voll - verfälscht geradezu die
Qualität dieser Figur für die Beschreibung kritischer Lesemomente. Johannes'
Rolle als "Totenführer" leistet die Verbindung zwischen den Toten
der Geschichte und den lebenden Subjekten der Geschichte: Die Toten, die
zur zirkularen Bewegung gezwungen sind, bedürfen der aktiven politischen
Subjekte, die ihrer eingedenkend handeln, sie bedürfen der Totenführer,
die unter den Lebenden das historische Eingedenken anmahnen und realisieren.
Johannes auf Patmos repräsentiert als Ketzer, Totenführer und Terrorist
die Möglichkeit, im Eingedenken der Toten politisch befreiend zu handeln,
und kann daher im Text die produktive Lese-Utopie einer möglichen und
notwendigen konstruktiven Bewegung in der Geschichte aktivieren. Ein
Ergebnis, das der Interpretation Domdeys diametral gegenübersteht:
"In
der Textgestalt eines monologischen Totengesprächs sind die Toten in
'Mommsens Block' die entscheidende Bezugsgröße. Nach dem Verschwinden
eines realen historischen Subjektes bleiben sie die letzte Instanz,
die den geschichtsphilosophischen Gehalt der Aussagen legitimiert."
[33]
Im Text heißt
es von der 'letzten Instanz' der Toten, dass sie zur "ewigen Wiederkehr"
(S. 257) gezwungen sind, solange sich Geschichte als Kontinuum von Gewalt
und Ausbeutung abspielt. Die utopische Bezugsgröße in "Mommsens Block"
sind die lebenden Subjekte, die die Forderung der Toten einlösen müssten.
Das real existierende Fehlen dieser im Eingedenken der Toten handelnden
Subjekte produziert eine Leerstelle, deren Existenz jedoch die Notwendigkeit
unterstreicht, sie zu füllen.
"Die
gegenutopischen Züge seiner Kunstwerke zitieren durch die Darstellung
von Defiziten, Niederlagen und Bosheiten immer auch die Sehnsucht nach
einem anderen Zustand und damit ein abwesendes Wunschbild: eine radikal
veränderte Welt, frei von Angst, Schmerz, Gewalt. Die Utopie ist nur
vorläufig beerdigt, der Sozialismus schläft lediglich." [34]
Der
Text erzeugt den Bedeutungseffekt, das ein solches Handeln möglich ist,
und stellt mit Johannes auf Patmos einen Akteur in den Vordergrund, der
dies einfordert. Die Klage über mangelndes historisches Handeln der lebenden
Subjekte ist also keineswegs mit dem resignierenden Verweis auf die hilflosen
Toten erledigt, sondern sie steht zwingend als Appell für den Anfang historischen
Denkens und Handelns. Die verbreitete Interpretation von "Mommsens
Block" als Programmatik "eines posthistorischen Lebensgefühls" [35],
in dem Geschichte keinen Sinn mehr hat und die Intellektuellen sich gehemmt
in Melancholie zurückziehen, ignoriert diesen textuellen Effekt und verkennt
damit eine zentrale ästhetische Schlüsselqualität des Textes. Diese einseitige
Lesart korrespondiert mit einer Mitte der 90er Jahre politisch motivierten
Mode, Heiner Müller zum würdevollen, aber veralteten Hohenpriester des
Totengesangs auf die DDR und deren Literatur zu erklären. [36]
Die kritische
Textanalyse entdeckt zwischen der destruktiven Bewegung menschlicher Gewaltgeschichte
und der offenen, produktiven Bewegung von Erkenn- und Veränderbarkeit
bestehender Verhältnisse den entscheidenden Widerspruch, der im gesamten
Text angelegt ist und wirkt. Schon im Titel "Mommsens Block" mit
seiner Doppelbildlichkeit des Blocks als Einheit von Denkmalssockel und
Büste [37] wie als Schreibblockade [38]
sind die dominanten Inhaltsmerkmale des Langgedichtes enthalten: ,
,
und . Überhaupt konstituiert das Thema des
Blocks eine typographische Isotopie der Blockschrift-Zeilen [39],
die zwei- bis viermal auf jeder Seite - mit Ausnahme der beiden letzten
- auftauchen. Die eingefügten Majuskeln als Charakteristikum der antiken
Epigraphik repräsentieren in Stein gemeißelte, unbewegliche Geschichte,
ohne Handschrift und ohne Leben: "Wer mit dem Meißel schreibt / Hat
keine Handschrift" (S. 257). Der Obertitel steht typographisch als monolythischer
Block im Widerspruch zu dem kursiv, und kleiner gedruckten Untertitel
"für Felix Guattari".
Im Vergleich
von Titel und Untertitel fällt der unterschiedliche Gebrauch von Namen
auf. Im Titel "Mommsens Block" wird mit dem fehlenden Vornamen ein
Nachname wie ein Block gesetzt, ein Name, der für sich steht, einen eigenen
Begriff bildet und isoliert einen Block der Autorität, des Ansehens und
der Macht repräsentiert. [40] Die Nennung von
Vornamen und Namen in kursiver Schrift sowie die widmungsartige Formulierung
im Untertitel stehen in auffälligem Kontrast zum 'Monument' des Obertitels:
"Der
schnelle Heiner Müller schreibt einen Text über den stummen Meister
Mommsen, den er dem schnatternden Felix Guattari als einem zeitgenössischen
Freund im Geiste widmet [...]." [41]
V. Exkurs
Die
Nennung des Poststrukturalisten Felix Guattari, der mit Gilles Deleuze
die zwei viel beachteten Bände "Anti-Ödipus" und "Tausend Plateaus"
zu "Kapitalismus und Schizophrenie" [42]
verfasste und deshalb oft als Deleuze/ Guattari wahrgenommen wird, verdient
unabhängig von der symptomatischen Lektüre eine gesonderte Beachtung.
Gegenüber der Starrheit von Repression und Bürokratie entwickelt Guattari
die Vorstellung von dynamischen Verbindungs- und Auflösungsprozessen,
von polyzentrischen Vernetzungen verschiedenster Lebens-, Bewusstseins-
und Organisationsformen. Innerhalb einer solchen politisch und psychisch
offenen Strukturierung des sozialen Raums, kann man nach Guattari zur
Erfahrung eines Unbewussten vordringen, dessen Trieb- und Wunschenergien
sich schöpferisch und konstruktiv entfalten können. In ihrer kleinen,
fast programmatisch zu nennenden Schrift "Rhizom" [43]
ziehen Deleuze/ Guattari Parallelen zwischen historischen Denkformen und
Wurzeltypen, wie die Botanik sie beschreibt. Der aktuellen Denkform "Heterogenität
und Verbindung" als komplexer Vielheit entspricht der Wurzeltyp des Rhizoms.
Als Rhizome werden in der Botanik Kriechwurzeln bezeichnet, die ober-
und unterirdisch wachsen und an verschiedenen Stellen immer wieder neue
Wurzeln in die Erde treiben, wie es beispielsweise für die Erdbeere zu
beobachten ist. Das Bild des Rhizoms als Vorstellung eines komplexen Netzwerkes
ermöglicht es, die Gesamtheit aller Elemente in ihrer nur punktuell verknüpften
Verschiedenheit zu denken:
"Rhizomatische
Konfigurationen weisen also [...] immer zugleich Verbindungen auf, und
zwar punktuelle, von Fall zu Fall geknüpfte Verbindungen, die ihrerseits
eher zur Komplexifikation als zur Vereinheitlichung beitragen."
[44]
Deleuze/
Guattari verweisen auch auf die politische Dimension rhizomatischen Denkens,
denn das Rhizom ist
"ein
nicht zentriertes, nicht hierarchisches und nicht signifikantes System
ohne General, organisierendes Gedächtnis und Zentralautomat; es ist
einzig und allein durch die Zirkulation der Zustände definiert."
[45]
Als textexterne
Referenz, und nur als solche, verweist das Wissen um das rhizomatische
Denken Guattaris auf den Gegensatz zwischen der ungeordneten Struktur
des Netzwerkes und der eindimensional endgültigen Ordnung des Blocks,
wie sie im Titel "Mommsens Block" zum Ausdruck kommt.
VI. Mommsens
Block - verhinderter Dialog
Das gesamte Gedicht enthält Merkmale eines verhinderten Dialogs. Er beginnt
mit einer allgemeinen Fragestellung, die immer wieder im Modus direkter
Anrede des fragenden Ich-Erzählers an den befragten, aber stummen Geschichtsprofessor
Theodor Mommsen artikuliert wird. Mit derselben Stummheit, die ihn von
der Realisierung des IV. Bandes der Römischen Geschichte abhält, entzieht
er sich der Partizipation an den Reflexionen des Ich-Erzählers, der wiederum
umso nachdrücklicher seine Überlegungen zur Katastrophalität der Geschichte,
zur Relativität von Geschichtsschreibung und zur Möglichkeit kritischen
Handelns artikuliert. Gleichwohl handelt es sich bei dem angestrebten
Gespräch nicht um ein verzweifeltes Anrennen gegen die blockartige Stummheit
Mommsens, sondern um einen Prozess zunehmenden Verständnisses [46]:
"Tierlaute
Wer wollte das aufschreiben
Mit Leidenschaft Haß lohnt nicht Verachtung läuft leer
Verstand ich zum erstenmal Ihre Schreibhemmung
Genosse Professor vor der römischen Kaiserzeit
Der bekanntlich glücklichen unter Nero
Wissend der ungeschriebene Text ist eine Wunde
Aus der das Blut geht das kein Nachruhm stillt" (S. 263).
Das
wachsende Verständnis für die historiographische Leidenschaftslosigkeit
Mommsens gipfelt in einer beide Gesprächspartner verbindenden Erkenntnis:
In der letzten direkten Anrede wird aus dem Herrn Professor der "Genosse
Professor", und auffälligerweise fehlt auf den letzten zwei Seiten des
Textes die Blockschrift. Das zunehmende Verständnis des Ich-Erzählers
für das Verhalten des angesprochenen, aber stummen Mommsen gipfelt in
einer letzten konkreten Utopie: der Arbeit. Über den Verstehensprozess
des Ich-Erzählers eröffnet sich als letztes, vielleicht minimal utopisches
Moment die Arbeit am "Arbeitsplatz umstellt von Büchern" (S. 263)
als die vorerst einzig mögliche Entwicklungsbewegung. Bei aller Katastrophalität
der Geschichte eröffnet sich neben der Resignation fast immer der Fluchtpunkt
politischer, wissenschaftlicher oder künstlerischer Erinnerungsarbeit,
die an konkreten Punkten geleistet werden muss; auch bei aller Ausweglosigkeit
bleibt also die wissenschaftliche, künstlerische oder spirituelle Arbeit
an der Erkenntnis der bestehenden Verhältnisse eine Möglichkeit konstruktiver
historischer Bewegung.
"Aber
für Jahrzehnte wird nach dem vorläufigen Sieg des Kapitalismus, der
ein System der Selektion ist (das Prinzip Auschwitz), die Kunst der
einzige Ort der Utopie sein, das Museum, in dem die Utopie aufgehoben
wird für bessere Zeiten." [47]
Es ist die
fortwährende, mühevolle Arbeit des Forschers am Schreibtisch, die Mommsen
als kontinuierlich forschenden und wissenden Historiker auszeichnet:
"Solche
Unternehmungen wie die Mommsens/ müssen sehr selten sein, weil ein ungeheures
Gedächtnis und ein entsprechnder Schaftsinn in der Kritik und/ Ordnung
eines solchen Materials selten zusammen kommen/ vielmehr gegen einander
zu arbeiten pflegen" (S. 260).
Sein durch
Forschungsarbeit geschulter Scharfsinn lässt den überragenden Historiker
die zunächst erstaunliche Konsequenz ziehen, die begonnene Tradierung
von Geschichte nicht mit dem IV. Band zu krönen, sondern sie einzustellen.
Dieses 'Forschungsergebnis' manifestiert eine zu dem 'Sehen' des Johannes
auf Patmos komplementäre Erkenntnisform von Geschichte: Wird Johannes
auf Patmos als aufrührerischer Sehender dargestellt, der die tödliche
Bewegung der Geschichte, das 'Neue Tier', gleichsam mystisch schauend
erkennt, so wird Mommsen als ein Akteur geschildert, der nach dem hohen
Arbeitseinsatz auf dem Feld der Geschichtsschreibung "NICHT MEHR
DIE LEIDENSCHAFT" (S. 257) hatte, die "Tierlaute" (S. 263) der Geschichte
aufzuschreiben.
Das Sehen
des Johannes und die unermüdliche wissenschaftliche Arbeit des Historikers
repräsentieren im Text zwei Formen der gleichen handlungsleitenden Erkenntnis.
Mit der Erkenntnis von Geschichte als tödlicher, destruktiv-zirkularer
Bewegung, die sich auch für die utopischen Entwürfe von Christentum und
Sozialismus zeigen lässt, ist beiden Akteuren - Mommsen und Johannes auf
Patmos - eine Handlung zugeschrieben, die sich gegen den katastrophalen
Verlauf von Geschichte stellt: Johannes auf Patmos rebelliert als Totenführer
und Ketzer gegen bestehende Verhältnisse, und Mommsen setzt die wissenschaftliche
Reproduktion der Geschichte nicht fort, denn ihre todbringende Gewaltstruktur
"Konnte geschlossen werden aus dem dritten Band" (S. 258). Die Erkenntnisformen
beider Akteure werden schließlich im Akteur Ich-Erzähler synthetisiert:
"Gestern
beim Essen in einem Nobelrestaurant
In der wieder bereinigten Hauptstadt Berlin
Blätterte ich in den Mitschriften Ihres Kollegs
Über die Römische Kaiserzeit frisch vom Buchmarkt
Zwei Helden der Neuzeit speisten am Nebentisch
Lemuren des Kapitals Wechsler und Händler
Und als ich ihrem Dialog zuhörte gierig
Nach Futter für meinen Ekel am Heute und Hier" (S. 262).
Dem Ich-Erzähler
werden durch die Nachrichten "Blätterte ich in den Mitschriften Ihres
Kollegs" das Inhaltsmerkmal und durch die
Nachricht "Und als ich ihrem Dialog zuhörte [...] Verstand ich zum
erstenmal Ihre Schreibhemmung / Genosse Professor" (S. 262 f.) das Inhaltsmerkmal
zugeschrieben. In seinem "geschichtsphilosophischen
Diskurs über den Triumph des Kapitals" [48] nimmt
er die zeitgenössischen Praxisformen der "Lemuren des Kapitals" als
'ekelerregende' "Tierlaute" (S. 263) wahr, und er erkennt die gegenwärtigen
Rituale der gesellschaftlichen Praxis als menschenverachtend:
"Fünf
Straßen weiter wie die Sirenen andeuten
Schlagen die Armen auf die Ärmsten ein
Und als die Herren privat werden Zigarren und Cognac
Strikt nach dem Lehrbuch der Politischen Ökonomie
Des Kapitalismus" (S. 263).
Gegenüber
einer posthistorischen Lektüre, welche über die expliziten Inhaltsmerkmale
, , und
den Text als Ausdruck von Verzweiflung
und Stillstand angesichts der menschlichen Gewaltgeschichte liest, erschließt
sich "Mommsens Block" der textstrukturellen Lektüre als ästhetische
Gestaltung des Grundwiderspruchs zwischen der destruktiven Bewegung katastrophaler
Gewaltgeschichte und der offenen, produktiven Bewegung subjektiven Erkennens
genau dieser Gewaltstrukturen. Es ist dieses Erkennen struktureller Zwänge,
das dem Subjekt den Rahmen politischer Handlungsmöglichkeiten aufzeigt.
Auch der Bilanz Richard Herzingers, dass der Dichter "unter den Bedingungen
der Geldherrschaft" [49] nur noch Tierlaute vernehme,
ist entgegenzuhalten, dass trotz der Tierlaute der kapitalistischen Warengesellschaft
das Sehen des Johannes auf Patmos und das Erkennen des Forschers als im
Text präsente Zufluchtsorte markiert werden, die sich nicht in der Diagnose
von Sinnlosigkeit erschöpfen.
So muss die
Erkenntnis des Ich-Erzählers "Wissend der ungeschriebene Text ist
eine Wunde / Aus der das Blut geht das kein Nachruhm stillt" (S. 263)
nicht auf sein Wiedererkennen in der evidenten Frage nach der fehlenden
wissenschaftlichen Veranschaulichung von Geschichte - dem vermutlich nie
geschriebenen IV. Band der "Römischen Geschichte" [50]
- verweisen. Die 'Wunde', die als Ergebnis der Arbeit an der Geschichte
sichtbar wird, bedeutet für die textstrukturelle Lektüre weniger die Lücke
in der Geschichtsschreibung, denn eher die tiefe, anhaltende Verletzung
der Geschichte selbst, wie Müller es in seiner Dankesrede "Die Wunde
Woyzeck" zur Verleihung des Georg Büchner-Preises 1985 ausdrückte:
"die
offene Wunde. Woyzeck lebt, wo der Hund begraben liegt, der Hund heißt
Woyzeck. Auf seine Auferstehung warten wir mit Furcht und / oder Hoffnung,
dass der Hund als Wolf wiederkehrt." [51]
VII.
Die textstrukturellen Utopien:
Der "Arbeitsplatz umstellt von Büchern" und das 'Sehen des Neuen
Tiers'
Das komplexe Langgedicht Heiner Müllers lässt viel Raum für ein kulturhistorisches
'Quiz', um die zahlreichen Anspielungen auf historische Ereignisse und
Zitate aufzulösen und wiederzuerkennen. Daneben entdeckt sich der textstrukturellen
Lektüre der Widerspruch zwischen katastrophaler Geschichte und fortlaufender
intellektueller Reflexion, der Widerspruch zwischen destruktiv-zirkularer
Bewegung der geschichtsmächtigen Akteure und der Fähigkeit von Sehen und
Erkennen, die eine zentrale Voraussetzung für kritisches politisches Handeln
ist. Ein solches Lektüre-Modell vermag den Text hinsichtlich seiner utopischen
Komponenten weitaus differenzierter auszuwerten als die eher irreführenden
postistorischen Interpretationen Ebrechts und Assheuers:
"Mommsens
Block beschreibt den Weg von der Heilsgeschichte zum Posthistoire exemplarisch.
[...] Und hier, mit dem Ende der Träume, setzt die posthistorische Wende
ein: Ohne Träume, d.h. ohne Ideen und Ziele, gibt es keine geschichtliche
Entwicklung und keinen Sinn mehr. Das ist die Epoche des Stillstands:
[...] Mit der 'Grabschrift' Mommsens Block verabschiedet sich Müller
vom Schreiben." [52]
Und:
"Im
utopiefreien Raum seines großen Gedichts Mommsens Block löschte Heiner
Müller die Brandsätze, denn nun ist Auflösung nicht mehr Hoffnung, sondern
eben nur: Auflösung. Dem verstummenden Intellektuellen wird der verstummte
Historiker Mommsen zum Ebenbild." [53]
Entgegen
diesen Ergebnissen werden im Text aber die Arbeit des forschenden Historikers
und das Sehen des Johannes auf Patmos mögliche Dimensionen eines Erkennens
lesbar, das Voraussetzung für politisch veränderndes Handeln ist. Der
'Drogenqualm', die protestierende Stummheit und die wiederkehrenden Toten
repräsentieren im Text nicht nur Verzweiflung und Auflösung, sie klagen
gleichermaßen das ein, was sich noch nicht verwirklicht hat: Geschichte
als Entwicklung menschlicher Freiheit und Gerechtigkeit.
Benedikt
Descourvières
© TourLiteratur
/ Autor
Alle Rechte vorbehalten
Benedikt
Descourvières, Jahrgang 1968, Dr. phil., ist u.a. Verfasser des
Buches
"Utopie des Lesens. Eine Theorie kritischen Lesens auf der Grundlage
der Ideologietheorie Louis Althussers. Dargestellt an Texten Georg Büchners,
Theodor Fontanes, Ödön von Horváths und Heiner Müllers."
St. Augustin: Gardez! Verlag 1999. (= GiG. Germanistik im Gardez! Bd.
6.)
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Descourvières erfahren Sie hier.
Buchcover
(von oben nach unten):
1) Müller, Heiner: Germania 3 Gespenster am Toten Mann / Mommsens
Block. 2 CDs. Eine Produktion des DeutschlandRadio, u.a. mit Ulrich Mühe.
Hrsg. v. Ulrich Gerhardt. Audio Verlag 1999.
2) Drucksache 1. Berliner Ensemble. Heiner Müller: Mommsens Block
/ Matthias Langhoff: Brief an einen Senator. Berlin: Alexander Verlag
1993.
3) Müller, Heiner: Krieg ohne Schlacht. Leben in zwei Diktaturen.
Eine Autobiographie. Köln: Verlag Kiepenheuer & Witsch 1994.
4) Tschapke, Reinhard: Heiner Müller. Berlin: Morgenbuch Verlag 1996.
(= Köpfe des XX. Jahrhunderts. 128.)
5) Hauschild, Jan-Christoph: Heiner Müller oder Das Prinzip Zweifel.
Eine Biographie. Berlin: Aufbau Verlag 2003 (Taschenbuch).
6) Heiner Müller. 1929 - 1995. Bilder eines Lebens. Berlin: Verlag
Schwarzkopf & Schwarzkopf 1996.
7) Ostheimer, Michael: Mythologische Genauigkeit. Heiner Müllers
Poetik und Geschichtsphilosophie der Tragödie. Würzburg: Verlag
Königshausen & Neumann 2002.
8) Müller, Heiner: Germania 3. Gespenster am Toten Mann. Köln:
Verlag Kiepenheuer & Witsch 1996.
9) Müller, Heiner: Die Gedichte. Hrsg. v. Frank Hörnigk. Frankfurt/Main:
Suhrkamp Verlag 1998. (= Werke. Bd. 1.)
10) Kluge, Alexander / Müller, Heiner: "Ich schulde der Welt
einen Toten". Gespräche. Berlin: Rotbuch Verlag 1996.
11) Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. München dtv 2001.
12) Theweleit, Klaus: Heiner Müller. Traumtext. Frankfurt/Main: Verlag
Stroemfeld/Roter Stern 1996.
13) Müller, Heiner: Der Lohndrücker / Die Umsiedlerin oder Das
Leben auf dem Lande. Zwei Theaterstücke. Leipzig: Verlag Faber &
Faber 1995.
Weiterführende
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Sekundärliteraturliste zu Heiner Müller
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auch die Beiträge von Benedikt Descourvières:
Erkennen
- Urteilen - Handeln. Anfänge der Theaterpädagogik in Bertolt
Brechts Lehrstück
"Die Maßnahme"
Träume,
Hexen und Gelächter. Widerstand der Phantasie in Irmtraud Morgners
Romanen
Anmerkungen:
[1] Vgl. Drucksache 1 (1993), S. 1-9. Primärzitate
werden direkt im Text nach der Seitenzahl des von Frank Hörnigk 1998 herausgegebenen
ersten Bandes der Müller-Werkausgabe in runden Klammern zitiert. [zurück]
[2]
Assheuer, Thomas: Der böse Engel. Heiner Müller und die Geschichte: Walzer
im Schlachthaus. In: Frankfurter Rundschau vom 02. 01. 1996, S. 9. [zurück]
[3]
Vgl. zusammenfassend Ebrecht, Katharina: Heiner Müllers Lyrik. Quellen
und Vorbilder. Würzburg 2001, S. 18-20. [zurück]
[4]
Fuhrmann, Helmut: Warten auf "Geschichte". Der Dramatiker Heiner
Müller. Würzburg 1997, S. 55 f. Theo Buck vertritt in "Heiner Müller
als Lyriker. In: Text und Kritik 73: Heiner Müller. Hrsg. v. Heinz Ludwig
Arnold. München (2) 1997, S. 131-154, hier S. 145 die These, dass sich
Müller aus der geschichtlichen Ratlosigkeit in die Lyrik geflüchtet habe.
[zurück]
[5]
Wolfgang Emmerich: Kleine Literaturgeschichte der DDR. 2. Aufl. Leipzig
1997, S. 509. [zurück]
[6]
Demandt, Alexander: Einleitung. In: Mommsen, Theodor: Römische Kaisergeschichte.
Nach den Vorlesungsmitschriften von Sebastian und Paul Hensel 1882/86.
Hrsg. v. Barbara Demandt und Alexander Demandt. München 1992, S. 15-25,
referiert die zeitgenössische Diskussion um den erwarteten IV. Band der
Kaisergeschichte und fasst die Forschungsdiskussion darüber zusammen.
[zurück]
[7]
Wolfgang Ernst: (Hrsg.): Die Unschreibbarkeit von Imperien. Theodor Mommsens
Römische Kaisergeschichte und Heiner Müllers Echo. Weimar 1995, S. 35.
[zurück]
[8]
Frank Hörnigk: "Texte, die auf Geschichte warten ...". Zum Geschichtsbegriff
bei Heiner Müller. In: Ders. (Hg.): Heiner Müller. Material. Leipzig 1990,
S. 123-137, hier S. 126. [zurück]
[9]
Demandt, Alexander: Einleitung. In: Mommsen, Theodor: Römische Kaisergeschichte.
Nach den Vorlesungsmitschriften von Sebastian und Paul Hensel 1882/86.
Hrsg. v. Barbara Demandt und Alexander Demandt. München 1992, S. 42: "Die
Kirche schien ihm ein 'Staat im Staate', ihre Hierarchie ein 'im höchsten
Grade staatsgefährliches Prinzip', der Episkopat eine 'Neben'- oder gar
'Gegenregierung'." [zurück]
[10]
Vgl. Haffner, Sebstian: Die deutsche Revolution 1918/ 1919. München 1991,
S. 158-185. [zurück]
[11]
Im "Deutschen Wörterbuch" Bd. 11, S. 1591 beschreiben die Brüder
Grimm das Lexem /Köhlerglaube/ als einen vorbehaltlosen Glauben an die
Verkündigung der Kirche. [zurück]
[12]
Vgl. den von Rainer Butenschön und von Eckart Spoo 1997 herausgegebenen
Band "Wozu muß einer der Bluthund sein? Der Mehrheitssozialdemokrat
Gustav Noske und der deutsche Militarismus des 20. Jahrhunderts". [zurück]
[13]
Vgl. Apostelgeschichte 9, 1-9. [zurück]
[14]
Vgl. Apostelgeschichte 7, 60. [zurück]
[15]
Der Apostel Paulus, jüdischer Schriftgelehrter mit römischem Bürgerrecht,
hatte zwei Namen: einen hebräischen, Saulus, und einen griechisch-römischen,
Paulus. [zurück]
[16]
Domdey, Horst: Writer's Block oder "Johannes im Drogenqualm". Heiner
Müllers lyrischer Text "Mommsens Block". In: 1945-1995: Fünfzig Jahre
deutschsprachige Literatur in Aspekten. Hrsg. v. Gerhard P. Knapp und
Gerd Labroisse. Amsterdam/ Atlanta 1995, S. 631-641, hier S. 635. [zurück]
[17]
Domdey, Horst: Writer's Block oder "Johannes im Drogenqualm". Heiner
Müllers lyrischer Text "Mommsens Block". In: 1945-1995: Fünfzig Jahre
deutschsprachige Literatur in Aspekten. Hrsg. v. Gerhard P. Knapp und
Gerd Labroisse. Amsterdam/ Atlanta 1995, S. 635, Anm. 8. [zurück]
[18]
Vgl. Matthäus 16, 18. [zurück]
[19]
Vgl. Matthäus 26, 69 - 75. [zurück]
[20]
In den Gefängnissen des zaristischen Russland bestand permanent die Gefahr
für die politischen Häftlinge, von Provokateuren ausspioniert zu werden.
Als Selbstschutz wurden enttarnte Provokateure im Gefängnis ermordet.
Der politische Häftling Stalin soll, so der Vorwurf, ihm unangenehme Mitinsassen
als Spitzel verleumdet und deren Exekution billigend in Kauf genommen
haben; vgl. Deutscher, Isaac: Stalin. Eine politische Biographie [1967].
Berlin 1989, S. 144. [zurück]
[21]
Müller, Heiner: Brief an den Regisseur der bulgarischen Erstaufführung
von Philoktet am Dramatischen Theater Sofia. In: Müller, Heiner: Herzstück.
Berlin (West) 1983, S. 102-110, hier S. 103. [zurück]
[22]
Müller, Heiner: Denken ist grundsätzlich schuldhaft. Die Kunst als Waffe
gegen das Zeitdiktat der Maschinen. In: Ders.: "jenseits der Nation."
Berlin 1991, S. 35 - 60, hier S. 55. [zurück]
[23]
Offenbarung 1, 9. [zurück]
[24]
Vgl. Offenbarung 1, 1; 10, 7; 22, 6 - 9. [zurück]
[25]
Engels, Friedrich: Das Buch der Offenbarung (1883). In: MEW [Marx/Engels:
Werke] XXI, S. 9-15, hier S. 9. Überzeugende theologische Untersuchungen
zur Apokalypse als gezielter Staatskritik liegen mit Kuno Füssels "Im
Zeichen des Monstrums. Zur Staatskritik der Johannes-Apokalypse"
(Freiburg/ Schweiz 1986) und Pablo Richards "Apokalypse. Das Buch
von Hoffnung und Widerstand. Ein Kommentar" (Luzern 1996) vor. [zurück]
[26]
Eke, Norbert Otto: Heiner Müller. Apokalypse und Utopie. Paderborn [u.a.]
1989. (Schriften der Universität/ Gesamthochschule Paderborn. Reihe Sprach-
und Literaturwissenschaft. Bd. 11.), S. 198. [zurück]
[27]
Hörnigk, Frank: "Texte, die auf Geschichte warten ...". Zum Geschichtsbegriff
bei Heiner Müller. In: Ders. (Hg.): Heiner Müller. Material. Leipzig 1990,
S. 131. [zurück]
[28]
Vgl. Eckhardt, Thomas: Der Herold der Toten. Geschichte und Politik bei
Heiner Müller. Frankfurt a.M. u.a. 1992. (Europäische Hochschulschriften.
Reihe I Bd. 1335.), S. 29. Walter Benjamin vertritt als politische Handlungsmaxime
in seiner XII. geschichtsphilosophischen These eine Politik eingedenk
des "Bild[es] der geknechteten Vorfahren" im Gegensatz zum sozialdemokratischen
"Ideal der befreiten Enkel". Ausführlicher zu der Beziehung zwischen
Walter Benjamin und Heiner Müller vgl. Eckhardt, Thomas: Der Herold der
Toten. Geschichte und Politik bei Heiner Müller. Frankfurt a.M. u.a. 1992.
(Europäische Hochschulschriften. Reihe I Bd. 1335.), S. 25-44; zum Geschichtsbegriff
Heiner Müllers vgl. Hörnigk, Frank: "Texte, die auf Geschichte warten
...". Zum Geschichtsbegriff bei Heiner Müller. In: Ders. (Hrsg.): Heiner
Müller. Material. Leipzig 1990, S. 123-137. [zurück]
[29]
Vgl. Eckhardt, Thomas: Der Herold der Toten. Geschichte und Politik bei
Heiner Müller. Frankfurt a.M. u.a. 1992. (Europäische Hochschulschriften.
Reihe I Bd. 1335.), S. 12. [zurück]
[30]
Müller, Heiner: Was ein Kunstwerk kann, ist die Sehnsucht wecken nach
einem anderen Zustand der Welt. Ein Gespräch mit Urs Jenny und Hellmuth
Karasek über VERKOMMENES UFER, den Voyeurismus und die Aufführungspraxis
in beiden deutschen Staaten. [1983] In: Müller, Heiner: Gesammelte Irrtümer:
Interviews. Frankfurt a.M. 1986, S. 130-140, hier S. 133. [zurück]
[31]
Hörnigk, Frank: "Texte, die auf Geschichte warten ...". Zum Geschichtsbegriff
bei Heiner Müller. In: Ders. (Hrsg.): Heiner Müller. Material. Leipzig
1990, S. 128. [zurück]
[32]
Domdey, Horst: Writer's Block oder "Johannes im Drogenqualm". Heiner
Müllers lyrischer Text "Mommsens Block". In: 1945-1995: Fünfzig Jahre
deutschsprachige Literatur in Aspekten. Hrsg. v. Gerhard P. Knapp und
Gerd Labroisse. Amsterdam/ Atlanta 1995, S. 639. [zurück]
[33]
Domdey, Horst: Writer's Block oder "Johannes im Drogenqualm". Heiner
Müllers lyrischer Text "Mommsens Block". In: 1945-1995: Fünfzig Jahre
deutschsprachige Literatur in Aspekten. Hrsg. v. Gerhard P. Knapp und
Gerd Labroisse. Amsterdam/ Atlanta 1995, S. 641. [zurück]
[34]
Tschapke, Reinhard: Heiner Müller. Berlin 1996, S. 89. [zurück]
[35]
Ebrecht, Katharina: Heiner Müllers Lyrik. Quellen und Vorbilder. Würzburg
2001, S. 143 und S. 149. [zurück]
[36]
Vgl. resümierend Hauschild, Jan-Christoph: Heiner Müller oder Das Prinzip
Zweifel. Berlin 2001, S. 484 f. [zurück]
[37]
Die Büste von Theoder Mommsen wurde zu DDR-Zeiten durch die Büste von
Karl Marx ersetzt und nach der Wiedervereinigung wieder auf den Denkmalssockel
gesetzt. Vgl. Ernst, Wolfgang (Hrsg.): Die Unschreibbarkeit von Imperien.
Theodor Mommsens Römische Kaisergeschichte und Heiner Müllers Echo. Weimar
1995, S. 28-36. [zurück]
[38]
Im Englischen kommt die Doppelbildlichkeit des Begriffes "Block"
noch unmittelbarer zum Ausdruck: „The block" bedeutet sowohl "Block"
als auch "Blockade" bzw. "Verstopfung". [zurück]
[39]
Die in Majuskeln gesetzten Nachrichten sind entweder direkte bzw. leicht
modifizierte Originalzitate Mommsens oder aber Zitate seiner Zeitgenossen
zu der Diskussion um den IV. Band der "Römischen Geschichte". Vgl.
dazu Demandt, Alexander: Einleitung. In: Mommsen, Theodor: Römische Kaisergeschichte.
Nach den Vorlesungsmitschriften von Sebastian und Paul Hensel 1882/86.
Hrsg. v. Barbara Demandt und Alexander Demandt. München 1992, S. 15-25
und: Domdey, Horst: Writer's Block oder "Johannes im Drogenqualm".
Heiner Müllers lyrischer Text "Mommsens Block". In: 1945-1995: Fünfzig
Jahre deutschsprachige Literatur in Aspekten. Hrsg. v. Gerhard P. Knapp
und Gerd Labroisse. Amsterdam/ Atlanta 1995, S. 633. [zurück]
[40]
Vgl. Schlich, Jutta: A propos Weltuntergang. Zu Heiner Müller u.a. Heidelberg
1996, S. 95. [zurück]
[41]
Schlich, Jutta: A propos Weltuntergang. Zu Heiner Müller u.a. Heidelberg
1996, S. 96. [zurück]
[42]
"Anti-Ödipus" erschien erstmals 1972 als erster und "Tausend
Plateaus" 1980 als zweiter Band von "Kapitalismus und Schizophrenie".
[zurück]
[43]
Vgl. Deleuze, Gilles/ Guattari, Felix: Rhizom [1976]. Berlin 1977. [zurück]
[44]
Welsch, Wolfgang: Vernunft. Die zeitgenössische Vernunftkritik und das
Konzept der transversalen Vernunft. Frankfurt a.M. 1996, S. 361. [zurück]
[45]
Deleuze, Gilles/ Guattari, Felix: Rhizom [1976]. Berlin 1977, S. 35. Auf
die politische Rezeption des rhizomatischen Denkens als Widerstandsstrategie
gegen Totalität und Atomisierung verweisen Altwegg, Jürg/Schmidt, Aurel:
Französische Denker des 20. Jahrhunderts. 20 Portraits. München 1987,
S. 67. [zurück]
[46]
Im Verlauf der Podiumsdiskussion "Über die (Un)Schreibbarkeit von
Imperien als Literatur" [in: Ernst, Wolfgang (Hrsg.): Die Unschreibbarkeit
von Imperien. Theodor Mommsens Römische Kaisergeschichte und Heiner Müllers
Echo. Weimar 1995, S. 65-97] bezeichnet Heiner Müller es als große Schwierigkeit,
angesichts der historischen Entwicklung Dialoge zu denken: "Ich merke
immer wieder, wie schwer es ist, über Geschichte zu schreiben. Es fallen
einem keine Dialoge mehr ein." (S. 81) [zurück]
[47]
Müller, Heiner: Aus der Akademie der Künste zu Berlin. Was wird aus dem
größeren Deutschland? Fragen von Alexander Weigel. In: Sinn und Form 43,
2 (1991), S. 666-669, hier S. 667. [zurück]
[48]
Hauschild, Jan-Christoph: Heiner Müller oder Das Prinzip Zweifel. Berlin
2001, S. 499. [zurück]
[49]
Herzinger, Richard: Der Tod ist die Maske der Utopie. Heiner Müller und
die Mission des romantischen Modernismus. In: Text und Kritik 73: Heiner
Müller. Hrsg. v. Heinz Ludwig Arnold. München (2) 1997, S. 51-71, hier
S. 68. [zurück]
[50]
Vgl. Ernst, Wolfgang (Hrsg.): Die Unschreibbarkeit von Imperien. Theodor
Mommsens Römische Kaisergeschichte und Heiner Müllers Echo. Weimar 1995,
S. 35. [zurück]
[51]
Müller, Heiner: Die Wunde Woyzeck [1985]. In: Müller, Heiner: Shakespeare
Factory 2. Berlin 1989, S. 261-263, hier S. 263; vgl. auch Labroisse,
Gerd: Heiner Müllers 'Endzeit' oder Wie die Wirklichkeit den Schriftsteller
verrät. In: Im Blick behalten: Lyrik der DDR. Neue Beiträge des Forschungsprojekts
DDR-Literatur an der Vrije Universiteit Amsterdam. Hrsg. v. Gerd Labroisse
und Anthonya Visser. Amsterdam/ Atlanta 1994, S. 229-247, hier S. 237.
[zurück]
[52]
Ebrecht, Katharina: Heiner Müllers Lyrik. Quellen und Vorbilder. Würzburg
2001, S. 149. [zurück]
[53]
Assheuer, Thomas: Der böse Engel. Heiner Müller und die Geschichte: Walzer
im Schlachthaus. In: Frankfurter Rundschau vom 02. 01. 1996, S. 9. [zurück]
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