Literaturkritiker
und Schriftsteller Reinhard Baumgart gestorben
Der
Autor, Literaturkritiker und Hochschul-Professor Reinhard Baumgart ist
am 2. Juli 2003, fünf Tage vor seinem 74. Geburtstag, gestorben.
Baumgart veröffentlichte Romane, Erzählungen, Dramen, Hör-
und Fernsehspiele sowie eine Reihe von Essaybänden, wirkte als
Lektor und Kritiker und seit 1990 als Germanistikdozent an der TU Berlin,
als Nachfolger Walter Höllerers. In den 60er Jahren galt er als
einer der bedeutendsten Autoren der jungen Generation.
Reinhard Baumgart wurde am 7. Juli 1929 als Sohn eines Arztes in Breslau
geboren. Nach dem Krieg kam er mit seiner Familie ins Allgäu, wo
er 1947 das Abitur ablegte.
Ein Jahr später nahm er sein Studium der Deutschen und Englischen
Literatur sowie der Geschichtswissenschaft an den Universitäten
München, Freiburg im Breisgau und Glasgow auf. Baumgart promovierte
1953 mit der Arbeit "Das Ironische und die Ironie in den Werken
Thomas Manns" - Thomas Mann selbst zeigte sich von der Arbeit tief
beeindruckt. Nach seinen Tätigkeiten als Universitätslektor
in Manchester und als Verlagslektor beim Münchner Piper Verlag
lebte Baumgart seit 1962 als freier Schriftsteller und Kritiker, u.a.
für den "Spiegel", die "Süddeutsche Zeitung"
(von 1970-1975) und seit 1987 für die "Zeit". Baumgart
debütierte als Erzähler mit dem 1961 erschienenen Roman "Der
Löwengarten", einer kritischen Auseinandersetzung mit der
damaligen Medienwelt. Es folgten u.a. der Roman "Hausmusik"
(1962), die Erzählbände "Panzerkreuzer Potjomkin"
(1967), "Lesmona. Eine Liebe, eine Ehe" (1987) und "Glück
und Scherben. Drei lange Geschichten, vier kurze" (2002) sowie
die Essaybände "Aussichten des Romans oder Hat Literatur Zukunft?"
(1968), "Glücksgeist und Jammerseele" (1986) und "Selbstvergessenheit.
Drei Wege zum Werk. Thomas Mann - Franz Kafka - Bertolt Brecht"
(1989). Seine Lebenserinnerungen konnte Reinhard Baumgart noch als Manuskript
vollenden - ein Erscheinungstermin ist noch nicht bekannt. Für
seine kritischen Essays wurde Baumgart 1987 mit dem Johann-Heinrich-Merck-Preis
ausgezeichnet.
Tilman Krause in der "Berliner Morgenpost" vom 4. Juli
2003 üer den Kritiker Reinhard Baumgart:
"(...) immer waren seine Arbeiten von exquisiter Kennerschaft,
geistfunkelnd, gern ironisch, mitunter nicht frei von der ausgestellten,
stilistischen Grandezza des sprachlichen Könners, aber stets erhellend,
analytisch stark, thetisch und abzielend noch bei penibelster Mikrobetrachtung
auf die großen Linien geistiger Physiognomien."
Iris Radisch in ihrem Nachruf auf Reinhard Baumgart in der "Zeit"
(Nr. 29/2003):
"Die erstaunlichste unter seinen vielen erstaunlichen Begabungen:
er war nie ungerecht. Seine Gabe, sich an Grenzen des Lebens und der
Literatur nicht wund zu stoßen, sondern sie zu üerschreiten,
nicht im Stehen, sondern im Schweben zu denken, hat ihm manche Härte,
auch die des enragierten Irrtums erspart. Was seinem freizügigen
Geist, seinem weitherzigen Blick kleinlich, kleinbürgerlich widersprach
(...), blieb am Rand, verschont."
Weiterführende
Links zu Reinhard Baumgart
Buchcover:
Reinhard Baumgart: Glück und Scherben. Drei lange Geschichten,
vier kurze. München: Hanser Verlag 2002.
(TourLiteratur 7 / September 2003)
Zurück zur Übersicht
"News-Archiv"
Zurück zur Startseite
Lyriker
der leisen Töne: Rainer Malkowski gestorben
Rainer
Malkowski, einer der bedeutendsten Lyriker der Gegenwart, ist am 1.
September 2003 nach langer Krankheit im Alter von 63 Jahren in Brannenburg
am Inn gestorben. Malkowski, am 26. Dezember 1939 in Berlin geboren,
arbeitete zunächst als Geschäftsführer in der Werbebranche
und entschied sich 1972, als freier Schriftsteller zu leben. Bereits
sein erster Gedichtband, "Was für ein Morgen", 1975 erschienen,
wurde als literarisches Ereignis gefeiert. Es folgten die Lyrikbände
"Einladung ins Freie" (1977), "Vom Rätsel ein Stück"
(1980), "Zu Gast" (1983), "Was auch immer geschieht"
(1986), "Das Meer steht auf" (1989), "Ein Tag für
Impressionisten und andere Gedichte" (1994) und "Hunger und
Durst" (1997) sowie im Jahr 2000 der Erzählband "Im Dunkeln
wird man schneller betrunken. Hinterkopfgeschichten". Daneben war
Malkowski Herausgeber verschiedener Anthologien, etwa der im Insel Verlag
erschienenen Bücher "Das Insel-Buch zur Mitternacht"
(1981) und "Das Insel-Buch der Tröstungen" (1984). Anfang
2003 erschien bei Hanser Malkowskis viel gelobte Nachdichtung des "Armen
Heinrich" von Hartmann von Aue.
Rainer Malkowski war Mitglied der Mainzer Akademie der Wissenschaften
und der Literatur und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.
Sein Werk wurde u.a. mit dem "Leonce-und-Lena-Preis (1979), dem
Villa-Massimo-Stipendium (1979) und dem Joseph-Breitbach-Preis (1999)
ausgezeichnet.
Walter Helmut Fritz in der "Stuttgarter Zeitung" vom 3.
September 2003:
"Die zurückhaltenden, alles Plakative meidenden Gedichte Rainer
Malkowskis üerzeugen durch ihre Skepsis, ihre Illusionslosigkeit,
ihr Formbewusstsein. Sie zielen auf Erkenntnis durch Vergegenwärtigung
von Augenblicken intensiver Wahrnehmung. Rhetorik ist ihnen fremd. In
knappen, einfachen Versen sprechen sie von komplexen Zusammenhängen."
Albert
von Schirnding in der "Süddeutschen Zeitung" vom 3. September
2003 rückblickend zu Malkowskis ersten Gedichtband "Was für
ein Morgen":
"(...) Das Etikett der 'Neuen Subjektivität' (passte) nicht
auf diesen üerraschend hervorgetretenen Lyriker. Was auffiel,
war gerade die Unauffälligkeit, mit der sich hier ein Subjekt zu
Wort meldete. Von Anfang an verzichtete Malkowski auf Pathos und Tiefsinn,
auf den Luxus der Metapher und des formalen Dekors. (...) Solche Wort-Geschöpfe
mit eigenem Atem hat Malkowski im Lauf der Jahre in bewundernswert großer
Zahl ins Leben gerufen."
Peter Wapnewski in der "Welt" vom 31. Mai 2003 zu Malkowskis
Nachdichtung des "Armen Heinrich":
"Es ist des Lyrikers üerscharfer Sinn für semantische
Valeurs der Worte, Farben, die Schwingungen des Verses, der ihn auch
ermächtigt, dem fortschreitenden Strom der epischen Zeilen gerecht
zu werden."
Weiterführende
Links zu Rainer Malkowski
Buchcover
oben: Hartmann von Aue: Der arme Heinrich. Nachdichtung von Rainer Malkowski.
Mit einem Nachwort von Norbert Miller. München: Carl Hanser Verlag
2003.
Buchcover
unten: Rainer Malkowski: Im Dunkeln wird man schneller betrunken. Hinterkopfgeschichten. Zürich: Verlag Nagel & Kimche 2000.
(TourLiteratur 7 / September 2003)
Zurück zur Übersicht
"News-Archiv"
Zurück zur Startseite
"Exodus"-Autor
Leon Uris gestorben
"Exodus",
die 1958 erschienene Saga um die Staatsgründung Israels, machte
ihn weltbekannt: Leon Uris ist am 21. Juni 2003 im Alter von 78 Jahren
in seinem Haus auf Shelter Island im Bundesstaat New York gestorben.
In seinem umfangreichen Romanwerk verarbeitete er die Kriege, Katastrophen
und Schicksale des 20. Jahrhunderts - das Leben im Warschauer Getto,
den Weg der Juden in den Staat Israel, den irischen Freiheitskampf,
den Wiederaufbau Europas nach 1945, die Geschichte der Araber in Palästina.
Einen "Schwergewichtler des Historienromans" nennt ihn die
"Welt" in ihrer Ausgabe vom 26. Juni 2003. Uris war auch erfolgreicher
Drehbuchautor - am bekanntesten ist wohl seine Vorlage für John
Sturges berühmten Western "Gunfight at the OK Corrall"
(1957), die Geschichte um White Earp und Doc Holliday. Auch die Mehrzahl
seiner eigenen Romane wurde verfilmt - "Exodus" durch Otto
Preminger, "Topaz" durch Alfred Hitchcock.
Leon Uris wurde am 3. August 1924 als Sohn eines Handwerkers und polnischen
Einwanderers
in
Baltimore (Maryland, USA) geboren. Bereits mit 17 Jahren ging er zur
Marine und gehörte im Zweiten Weltkrieg den US-Marinekorps als
Funker an. Nach dem Krieg arbeitete Uris zunächst als Zeitungsausträger
und versuchte sich nebenbei - anfänglich ohne Erfolg - als Reporter.
1950 erschien in der Zeitschrift "Esquire" seine erste Kurzgeschichte,
denen in den nächsten Jahren weitere folgen sollten. Seinen literarischen
Durchbruch erreichte Uris mit dem Roman "Battle Cry" (1953,
deutsch: "Urlaub bis zum Wecken"), der eine Millionenauflage
erzielte. Neben "Exodus" folgten die Romane "Mila 18"
(1961), "Armageddon. Entscheidung in Berlin" (1964), "QB
VII - Ein Prozess erregt die Welt" (1970), "Trinity"
(1976), "Haddsch" (1984) und "Mitla Pass" (1988).
Sein letztes Buch mit dem Titel "O'Haras Choice" sollte im
Oktober 2002 erscheinen, Leon Uris konnte das Werk allerdings aufgrund
einer schweren Krankheit nicht mehr fertigstellen.
Buchcover: Leon Uris: Exodus. Das große Epos um die Gründung
Israels. München: Heyne Verlag 1998.
(TourLiteratur
7 / September 2003)
Zurück zur Übersicht
"News-Archiv"
Zurück zur Startseite
Österreichischer
Dichter Heimrad Bäcker gestorben
Der österreichische Schriftsteller Heimrad Bäcker, einer der
bedeutendsten Vertreter der Konkreten Poesie, ist am 8. Mai 2003, einen
Tag vor seinem 78. Geburtstag, in Linz gestorben. Bäcker war Mitbegründer
der Grazer Autorenversammlung und Gründer des Verlages "edition
neue texte",
der sich auf die Werke der Neuen Poesie konzentrierte und Autoren wie
Ernst Jandl, Gerhard Rühm, Franz Josef Czernin und Reinhard Priessnitz
ein Forum verschaffte. Sein Hauptwerk ist das Projekt "nachschrift"
(1986; "nachschrift 2" 1997), in dem er sich mit den Mitteln
der Konkreten Poesie mit der deutsch-österreichischen nationalsozialistischen
Vergangenheit auseinandersetzte.
Heimrad Bäcker wurde am 9. Mai 1925 in Wien geboren. Er ist in
Ried und Linz aufgewachsen, studierte in Graz und Wien Philosophie,
Soziologie und Völkerkunde und schrieb 1953 seine Dissertation
üer das Werk Karl Jaspers. Von 1955 bis 1976 arbeitete er als
Referent an der Volkshochschule in Linz. Sein 1976 gegründeter
Verlag "edition neue texte" wurde 1994 vom Literaturverlag
Droschl (Graz) üernommen.
Mit Blick auf Bäckers "nachschrift" schreibt der Schriftsteller
Schuldt in seinem in der "Zeit" (Nr. 22/2003) erschienenen
Nachruf, Bäcker habe es verstanden, "aus den Schriftzeugnissen
des Holocaust Sätze, Wendungen, einzelnen Wörter herauszuschneiden,
an denen in der Vereinzelung blitzartig erfahrbar ist, was in dem längeren
Dokument halb verschüttet bleibt, weil der bloße, vor sich
hin trottende Zusammenhang und der sich fortzeugende Behördenjargon
den Leser betäuben und die Wirklichkeit der Vernichtung genrehaft
üerpolstern".
Weiterführende
Links zu Heimrad
Bäcker
(TourLiteratur 7 / September 2003)
Zurück zur Übersicht
"News-Archiv"
Zurück zur Startseite
Kleist-Preis
2003 für Albert Ostermaier
Der
mit 20.000 Euro dotierte Kleist-Preis des Jahres 2003 geht an den Dramatiker
und Lyriker Albert Ostermaier. Die renommierte Auszeichnung, die von
1912
bis 1932 und dann wieder seit 1985 vergeben wird, wird im November in
Berlin üerreicht werden. Zu den bisherigen Preisträgern zählen
u.a. Bertolt Brecht und Anna Seghers, Judith Herrmann und Martin Mosebach.
Albert Ostermaier, 1967 in München geboren, zählt zu den wichtigsten
Autoren der gegenwärtigen bundesdeutschen Literaturszene. Zu seinen
bekanntesten Werken gehören die Lyrikbände "Nicht in
Venedig" (1991), "Fremdkörper hautnah" (1997) und
"Heartcore" (1999) sowie die Theaterstücke "Zwischen
zwei Feuern" (1993), "The Making Of B.-Movie" (1998),
"Radio Noir" (1998), "Erreger" (2000), "Katakomben"
(2001) und "Letzter Aufruf" (2002). In diesem Jahr erschien
Ostermaiers Buch "Vatersprache". Ostermaier wurde bisher u.a.
mit dem Ernst-Toller-Übersetzerpreis des Goethe-Instituts (1997),
dem Hubert-von-Herkomer-Preis der Stadt Landsberg (1998), dem Ernst-Hoferichter-Preis
der Stadt München (2000) und dem Autorenpreis des Heidelberger
Stückemarkts (ebenfalls 2000) ausgezeichnet. 2001 war er Writer-in-Residence
an der New York University. Ostermaier war 1996/97 Hausautor am Mannheimer
Nationaltheater, 1999/2000 Hausautor am Bayerischen Staatsschauspiel.
Weiterführende
Links zu Albert Ostermaier
Buchcover:
Albert Ostermaier: Vatersprache. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2003 (= edition
suhrkamp.)
(TourLiteratur 7 / September 2003)
Zurück zur Übersicht
"News-Archiv"
Zurück zur Startseite
Kranichsteiner
Literaturpreis an Reinhard Jirgl
Der
mit 20.000 Euro dotierte Kranichsteiner Literaturpreis des Deutschen
Literaturfonds geht in diesem Jahr an den Berliner Schriftsteller Reinhard
Jirgl. Mit der Auszeichnung, die am 29. November 2003 in Darmstadt üerreicht
werden wird, wird der im Frühjahr bei Hanser erschienene Roman
"Die Unvollendeten" gewürdigt. Reinhard Jirgl, 1953 in
Ost-Berlin geboren, gehört zu den wichtigsten Romanciers der deutschen
Gegenwartsliteratur. Zu seinen bekanntesten Büchern gehören
"Mutter Vater" (1990), "Abschied von den Feinden"
(1995), "Hundsnächte" (1997), "Die atlantische Mauer"
(2000) und die Trilogie "Genealogie des Tötens" (2002).
Jirgls Werk wurde u.a. mit dem Alfred-Döblin-Preis (1993), dem
Marburger Literaturpreis (1994) und dem Joseph-Breitbach-Preis der Mainzer
Akademie der Wissenschaften und der Literatur (1999) ausgezeichnet.
Jirgl, der noch bis 1995 als Techniker an der Berliner Volksbühne
arbeitete, lebt seit 1996 als freier Schriftsteller in Berlin.
Zahlreiche Bücher Jirgls sind bereits lange vor 1989 verfasst worden,
keines von ihnen ist je in der DDR erschienen.
Jirgls neuester Roman "Die Unvollendeten" "wählt
die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus dem Sudetenland zum
Hintergrund" schreibt Cristina Nord in der "TAZ" vom
19. Juli 2003. Und weiter:
"Bei Jirgl entsteht aus den Fragmenten der eigenen Vita und der
seiner Vorfahren ein präzises, dichtes Kunstwerk. Aus der Sprache
holt er heraus, was diese an Möglichkeiten bereithält. Dazu
gehören die experimentelle Ortografie und Interpunktion, ein streckenweise
dem Mündlichen entlehnter Stil und eine Collagetechnik, die innere
Rede, Artikel aus dem 'Neuen Deutschland', Echos vergangener Dialoge
und mythologische Fragmente montiert und darüer hinaus ein Herz
für Kalauer hat."
Iris Radisch in der "Zeit" (Nr. 19/2003) zu Jirgls "Die
Unvollendeten":
"Noch nie (...) ist die deutsche Nachkriegszeit so üerzeugend
geschildert worden wie in dem Roman 'Die Unvollendeten' von Reinhard
Jirgl. Das hat viele Gründe. Der augen- und ohrenfälligste
ist der dunkle und lebensbittere Sound, der den Herzton dieser Prosa
ausmacht."
Roman Bucheli in der "Neuen Zürcher Zeitung" vom 14.
Juni 2003 zu Jirgls "Unvollendeten", der "Geschichte
von Vertreibung und Heimatlosigkeit":
"Reinhard Jirgl erweist sich in seinem jüngsten Roman als
glänzender Dramaturg eines weitgehend authentischen, autobiographischen
Stoffes, den er zu atemberaubender sprachlicher Verdichtung gebracht
und zu Bildern von bestürzender Genauigkeit geformt hat. (...)
nie zuvor hat Jirgl mit solcher erzählerischer Gewandtheit einen
schwer lastenden Stoff so leicht gemacht."
Werner Jung im "Freitag" vom 21. März 2003:
"Wieder erschreibt sich Jirgl - vielleicht um eine Spur unangestrengter
als früher - ein großes, rabenschwarzes Panorama, das im
Sprach- und Denkspiel neue Bezüge und Verbindungen, Verweise und
Aspekte einer Welt des Verfalls und Zerfallens deutlich macht. Kein
Grand Hotel Abgrund jedoch, in dem sich der Erzähler höchst
komfortabel eingerichtet hat, sondern ein apokalyptisches Szenario."
Hendrik Werner in der "Welt" vom 2. August 2003 zu "Die
Unvollendeten":
"Zielten seine Bücher im vergangenen Jahrzehnt (...) offenkundig
vor allem darauf, den Lektürefluss gleichsam zu zerschießen,
gibt sich Jirgl jetzt vergleichsweise didaktisch. Zwar wabern wieder
einmal syntaktische und monologoide Verschrobenheiten durch seine Prosa.
Nie aber destabilisieren sie das Abenteuer Lesen so nachhaltig, dass
sie Jirgls hehres moralisches Anliegen vernebeln würden, das auf
nichts weniger zielt, als den Toten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen."
Weiterführende
Links zu Reinhard Jirgl
Mehr
zum Kranichsteiner Literaturpreis (u.a. alle Preisträgerinnen und
Preisträger)
Buchcover:
Reinhard Jirgl: Die Unvollendeten. Roman. München: Hanser Verlag
2003.
(TourLiteratur 7 / September 2003)
Zurück zur Übersicht
"News-Archiv"
Zurück zur Startseite
Österreichischer
Staatspreis für Christoph Hein
Der
in Berlin lebende Schriftsteller Christoph Hein ist im Juli 2003 mit
dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur
ausgezeichnet worden. Der österreichische Bundeskanzler Wolfgang
Schüssel üerreichte den mit 22.000 Euro dotierten Preis in
Salzburg. Er gilt als die wichtigste und höchste literarische Ehrung
Österreichs. Preisträger des letzten Jahres war Umberto Eco,
davor gehörten u.a. Marguerite Duras ind Salman Rushdie zu den
Geehrten. Christoph Hein wurde am 8. April 1944 als Sohn eines evangelischen
Pfarrers im schlesischen Heinzendorf geboren. Aufgewachsen ist er in
Bad Düen in der Nähe von Leipzig. Von 1958 bis zum Mauerbau
1961 besuchte er ein humanistisches Gymnasium in West-Berlin, das Abitur
legte er 1964 an einer Abendschule ab. Von 1967 bis 1971 studierte er
Philosophie in Leipzig und Ost-Berlin. 1971 wurde Hein Dramaturg an
der Berliner Volksbühne unter der Leitung von Benno Besson, 1974
wurde er als Hausautor fest eingestellt. Im gleichen Jahr wurde sein
erstes Stück "Schlötel oder Was solls" uraufgeführt.
Im Jahr 1979 verlässt Hein die Volksbühne und arbeitet seither
als freier Schriftsteller. Mit seinem Prosa-Erstling "Einladung
zum Lever Bourgeois" (1980) wurde er auch im Westen bekannt. In
seiner viel beachteten Rede vor 500.000 Demonstranten am 4. November
1989 auf dem Ost-Berliner Alexanderplatz, also fünf Tage vor der
Maueröffnung, ergriff Hein Partei für die Belange der DDR-Bürgerrechtsbewegungen
und plädierte für die Etablierung eines wirklich demokratischen
Sozialismus. Seit 1992 ist Hein Mitherausgeber der "Ost-West-Wochenzeitung"
"Freitag". Im Oktober 1998 wurde Hein zum Präsidenten
des vereinigten deutschen P.E.N.-Zentrums gewählt (bis 2000).
Zu seinen bekanntesten Werken zählen die Theaterstücke "Die
Geschäfte des Herrn John D." (1979), "Cromwell" (1980),
"Die wahre Geschichte des Ah Q" (1983), "Passage"
(1988), "Die Ritter der Tafelrunde" (1989), "Randow"
(1995) sowie "Bruch" (1999) und die Prosabände "Der
fremde Freund" (1982, im Westen u.d.T. "Drachenblut"
1983 veröffentlicht), "Horns Ende" (1985), "Der
Tangospieler" (1989), "Das Napoleon-Spiel" (1993) sowie
der Roman "Willenbrock" (2000). Christoph Hein wurde u.a.
mit dem Heinrich-Mann-Preis (1982), dem Lessing-Preis (1989), dem Peter-Weiss-Preis
der Stadt Bochum (1998), dem Solothurner Literaturpreis (2000) und dem
italienischen
Literaturpreis "Premio Grinzane Cavour" (2002)
ausgezeichnet.
Weiterführende
Links zu Christoph Hein
Buchcover:
Christoph Hein: Der fremde Freund (Drachenblut). Novelle. 8. Aufl. Berlin:
Aufbau Taschenbuch Verlag 1997.
(TourLiteratur 7 / September 2003)
Zurück zur Übersicht
"News-Archiv"
Zurück zur Startseite
|